Typische Daten
Farbe | 3 5 EBC (hell bis goldgelb) |
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Stammwürze | 11 % |
Alkoholgehalt | 4,8 5,1 %Vol |
Bittere | 25 45 IBU (fein bis sehr herb) |
Rezens | 5 5,5 g/l (spritzig) |
Malzsorte | nur Pilsner Malz |
Hopfen | Feinste Aromahopfen (v.a. Saazer!) |
Gärung | untergärig, sehr kühl (0 6 °C) |
Trinktemperatur | 7 8 °C |
Nach wie vor würden wohl die meisten Bierkäufer, befragt nach ihrer Lieblingssorte, sofort "Pils" sagen. Angesichts der Pilslegende ist das auch kein Wunder. Es ist nur selten wirklich Pilsner drin, wo "Pils" draufsteht. Im Folgenden soll es also darum gehen, woran Du ein echtes Pilsner Bier erkennst und wie Du es stilecht genießt.
Historisches
Wie fast überall in Europa war bis ins 19. Jahrhundert auch in Pilsen obergäriges Bier aus dunklerem Malz der Normalfall. Wie zum Glück nicht überall muß das damalige Pilsner Bier allerdings von erschreckend miserabler Qualität gewesen sein, denn um 1840 herum wurde es schließlich von aufgebrachten Konsumenten aus Protest faßweise auf den Marktplatz geschüttet.
Solch bescheidene Klagen des Konsumvolks würden heute wohl eher belächelt oder mit einem Warengutschein bedacht früher jedoch war Käuferzorn noch wirksam und hatte schließlich den Bau eines neuen Brauhauses zur Folge, dessen technische Ausstattung sich am damals bereits für seine vergleichsweise hohe Qualität bekannten bayerischen Bier orientierte. Dieses wurde als eines der ersten in der neuen untergärigen Brauweise hergestellt. Auch galten bayerische Brauer als Meister ihres Fachs, und so beschloß man, in das neue Brauhaus auch einen neuen bayerischen! Braumeister hineinzustellen.
Den fand man in Josef Groll, einem Niederbayern, der schon in des Vaters Brauerei sein Handwerk ausgefeilt hatte und auch selbst einem guten Bier alles andere als abgeneigt war. 1842 schließlich war es soweit, und Groll schuf was er damals freilich nicht wissen konnte mit seinem neu ersonnenen Pilsner Bier eine Spezialität, die nicht nur die damaligen Einwohner Pilsens hellauf begeistern sollte.
Besondere Kennzeichen
Nicht nur im Vergleich zum ehemaligen Pilsner Bier war Grolls Rezeptur ein Unikat. Anders als damals üblich, verwendete er für sein Gebräu ausschließlich sehr schonend gedarrtes und deshalb hellstes Malz. Noch heute lautet die Handelsbezeichnung für dieses am wenigsten Farbe gebende Basismalz Pilsner Malz. Die verwendete böhmische Gerste hat zudem einen auch heute noch für geübte Gaumen erkennbaren, ganz speziellen eigenen Charakter. Dieser wird durch das spezielle Maischverfahren es werden je nach Überlieferung zwei oder sogar drei Teilmaischen ausgiebig gekocht noch unterstrichen; die Würze erhält so eine besonders kernige Getreidenote.
Ein weiterer wichtiger Erfolgsfaktor war das von Natur aus fast salzfreie, extrem weiche Pilsner Wasser. Seine milde Beschaffenheit läßt es, anders als etwa das sulfatreiche Dortmunder oder das sehr kalkhaltige Münchner Wasser, in Geschmack und Textur völlig hinter die anderen Zutaten zurücktreten. Wer außerhalb Pilsens ein wirklich gutes Pilsner brauen will, kommt daher um eine entsprechende Behandlung seines Wassers (durch Filtern, entsalzen, enthärten etc.) fast nie herum.
Dieses besonders weiche Wasser bietet auch der dritten Zutat eine ideale Bühne: Dem für sein sehr feines, leicht buttriges Aroma berühmten Saazer Hopfen. Seine Blume muß schon für die Nase deutlich wahrnehmbar sein.
Im Antrunk sollte ein Pilsner dezent auf der Zunge prickeln. Im Mund soll sowohl ein feines Hopfenbukett als auch eine deutliche, kernige Getreidenote auffallen. Leider wird "kernig" von vielen Brauern sei es aus mangelnder Detailliebe oder aus Rationalisierungsgründen viel zu oft mit "malzig" verwechselt, sodaß in vielen Pilsrezepten Karamellmalze auftauchen, die dort wirklich nicht hineingehören. Pilsner Bier muß kernig und malzaromatisch, aber im Körper unbedingt schlank sein; eine vollmundige Textur ist absolut fehl am Platz. Das im Idealfall intensive Hopfenbukett kann sich mit gelegentlichen dezent grasigen Noten des sehr hellen Malzes leicht überschneiden. Je nach Sorte ist eine gärungsbedingte Schwefelnote möglich. Der Abgang muß trocken sein. Eine feine Herbe, die jedoch weder kratzen noch nachhängen darf, ist erlaubt und erwünscht. Ideal eingestellt ist sie, wenn sie Appetit auf den nächsten Schluck macht.
Stilecht genießen
Wie schon um das Pilsner an sich, so ranken sich auch um Ausschank und Darbietung allerlei Legenden, die sich allem besseren Wissen zum Trotz bis heute hartnäckig halten. Zum Beispiel die, daß ein Pils am besten eiskalt sein sollte. Oder der Mythos, daß ein gutes Pils vom Faß sieben Minuten benötige.
Schauen wir uns beides mal näher an: Eiskalt sollte man ohnehin nichts trinken, von einem Eiskaffee vielleicht mal abgesehen. Welche Schande, sich um die feinen Hopfennoten zu bringen, die man bei nahe null Grad einfach nicht schmecken oder riechen kann. Kühl hingegen sollte ein Pilsner durchaus sein. Na, und das mit den sieben Minuten? Ein Bier, das, wie wir inzwischen wissen, möglichst kühl, spritzig und frisch auf Tisch oder Tresen gehört, dessen eventuelle Bittere durch eine komplexe Hopfenblume und prickelnde Kohlensäure kontrastiert sein will, soll also länger in das Glas hineinfließen, als es je nach Stimmung womöglich braucht, um daraus wieder zu verschwinden?
Also, auch das "sieben-Minuten-Pils" ist natürlich gequirlter Unsinn. Entscheidend ist beim Pilsner, daß es frisch aus dem Faß ins Glas kommt und möglichst flott beim Gast ist. Einen guten Wirt erkennst Du also unter anderem daran, daß das gerade bestellte Pilsner nach spätestens drei Minuten vor Dir steht. Kühl, feinperlend und wenn auch, entgegen weiteren Mythen, nur um der schönen Optik Willen mit einer perfekten Schaumkrone.
Alles andere ist fauler Mumpitz, denn wer mit zu viel Druck nur Schaum aus dem Hahn bringt, den dann Schluck für Schluck abstehen läßt und etappenweise nachschäumt, der bringt Dir höchstens noch schale gelbe Brühe an den Platz, ist mit simplen Timing-Aufgaben offensichtlich schon überfordert und sollte besser etwas anderes machen. Von denen, die Schaum abstreifen oder dein Bier aus verschiedenen abgestandenen Gläsern zusammenkippen, mal ganz zu schweigen.
Ausschank
Wenn Du selbst zapfst, verwendest Du für Pilsner am besten einen Kompensator oder Kugelhahn oder eine Bierschlange, die den Druck eines gut rezenten Bieres etwas ausgleicht. In das am besten leicht schräg und nah unter den Hahn gehaltene Glas zapfst Du zügig, bis das Glas zu zwei Dritteln bis drei Vierteln voll ist. Hat dein Zapfhahn eine Schaumtaste, setzt Du mit deren Hilfe nun eine Haube obenauf, bei anderen Hähnen erzeugst Du den Schaum durch ein Tieferziehen des Glases (längerer Fallweg der Flüssigkeit). Nach einem kurzen(!) Abstehen des Glases kommt abermals ein kleiner Schuß Schaum obenauf, und dann wird sofort serviert.
Wenn einmal kein Faßbier zur Hand ist, darf das Pils natürlich auch aus Flasche oder Dose ins Glas kommen. Achte hierbei darauf, möglichst ein kühles Glas zu verwenden, den Großteil des Bieres langsam und vorsichtig, aber in einem Zug einzugießen und erst den letzten Rest, ähnlich dem Weizenbier, durch etwas schütteln zu einer schönen Haube zu verwandeln.
Gläser
Auch beim Pilsner ist es den Werbeabteilungen einiger "Premium"Brauereien sei Dank längst zu einer beliebten Unsitte geworden, Pilsner Biere (oder besser gesagt: das, was jene Brauereien unter diesem Namen verkaufen) in "Pokale" zu schenken. Für deren aufgesprudelte, mit Alkohol aromatisierte Wässerchen mag das das einzige sein, was der ganzen Sache überhaupt einen wertigen Anschein gibt; ein echtes, gut gemachtes Pilsner gehört hingegen immer in eine Tulpe.
Eine Pilstulpe ist ein meist recht dünnwandiges Glas. Sie hat oft deutliche Ähnlichkeit mit einem Cognacschwenker. Damit möglichst wenig Temperaturaustausch mit der Abstellfläche oder der Hand geschieht, hat so eine Tulpe stets einen Stiel. An dem gehört sie streng genommen auch gehalten. Was zugegebenermaßen und im Wortsinn immer ein wenig dämlich aussehen dürfte, weshalb Mann es wahrscheinlich niemals und selbst Frau es nur höchst selten tut.
Immer muß die Pilstulpe einen dickeren Bauch haben, der sich zu einem schlankeren Hals verjüngt. Das ist nötig, damit die leicht flüchtigen Hopfenaromen eines guten Pilsners möglichst langsam aus dem Glas entweichen. Denn gerade beim hopfenbetonten Pilsner trinkt die Nase mit und nimmt in erheblichem Maß die komplexen Noten wahr, die hinterher fälschlich allein dem Geschmackssinn des Gaumens zugeschrieben werden. Damit die Nase beim Trinken mit ins Glas paßt, bevorzugen Pilsfanatiker breite Tulpen gegenüber den schlankeren (wie sie das Bild ganz oben zeigt).
Abgerundet wird die richtige Glasauswahl mit einem Pilsdeckchen (auch: Rosette oder Pilskragen): Es saugt sich am kühlen Glas bildendes Kondenswasser und eventuell herüberlaufenden Schaum auf und schützt, ggf. in Verbindung mit dem Bierdeckel, Tresen und Tisch.