Sobald sich die Hefezellen nach dem Anstellen ausreichend vermehrt haben, verarbeiten sie in einer zunächst stürmischen, dann langsam ausklingenden Gärung einen großen Teil der gelösten Malzzucker. Normalerweise beträgt dieser Anteil, der vor allem in der Maltoserast entsteht, zwischen 75 und 90%. Er wird auch als Vergärgrad bezeichnet. Dieser Zuckeranteil wird, ungefähr in gleichen Teilen, zu Alkohol (Ethanol) und Kohlendioxid abgebaut. Letzteres entweicht in der drucklosen Hauptgärung überwiegend und löst sich nur zu einem kleinen Teil in der Würze.
Die gewünschte Kohlendioxidsättigung wird im Anschluß durch eine zweite Gärung in einem geschlossenen Druckgefäß erreicht. In meinem Beispiel heute ist dieses Druckgefäß eine simple Bierflasche (genau genommen: natürlich mehrere!) Zuletzt wird in einer kalten Reifungsphase der Geschmack des Biers abgerundet.
Hauptgärung
Je nach Kondition und Menge der Hefezellen, Temperatur und Sauerstoffgehalt der Würze vermehren sich nach dem Anstellen die Hefezellen und beginnen mit der Vergärung. Der Beginn der Hauptgärung ist im Grunde also sofort; für den Brauer ist jedoch der Zeitpunkt bedeutsam, ab dem eine gewisse Hefeaktivität erreicht ist. Dieser Moment wird auch als Ankommen der Gärung bezeichnet. Er ist an einer deutlichen Schaumentwicklung, den entstehenden Kräusen, erkennbar. Es handelt sich dabei um je nach Würzefarbe hell- bis kremweiße Schaumberge, die sich auf der Würze auftürmen und auf denen sich abhängig vom Hopfengehalt bald braune Flecken bilden. Auch ist eine deutliche geruchliche Veränderung erkennbar: Riecht die Würze zu Beginn eher wie ein alkoholfreies Bier, sind nach Gärankunft sortenbedingt fruchtig-süße oder auch schweflig-säuerliche Gerüche zu erkennen.
Unter guten Bedingungen kommt eine Gärung nach etwa 8 12 Stunden an. Gerade in Hobbybrauersuden, bei denen oft zu wenig oder nicht ausreichend vitale Hefe zugefügt wird, kann es auch deutlich länger dauern. Die Phase bis zur Ankunft der Gärung ist abermals eine mikrobiell kritische: Bestimmte Würzeschädlinge überstehen in Form von Sporen auch den Kochvorgang und können nach einiger Zeit erneut "auskeimen". Eine vitale Hefe unterbindet dies, da sie sich schneller vermehrt und die Umgebungsbedingungen in der Würze zu ungunsten dieser Keime verändert. Spätestens etwa 48 Stunden nach dem Anstellen sollte die Gärung also angekommen sein. Wenn nicht, sind Notfallmaßnahmen (etwa Gabe einer großen Menge ausreichend aktiver Hefe) angezeigt.
Schnellgärprobe
Zwar läßt sich durch Auswahl der Hefe und Anpassen der Rasten des Maischprogramms der Vergärgrad einigermaßen vorhersagen. Ihn aber auch genau zu kennen ist aber für nachfolgende Berechnungen wichtig. Um hier schnell Gewißheit zu haben, macht der Brauer sich die Tatsache zunutze, daß biochemische Reaktionen umso schneller ablaufen, je kleiner die reagierenden Mengen sind und je wärmer es ist.
Nach der Ankunft der Gärung befüllst Du einen ausreichend großen Standzylinder mit Würze und stellst diese Probe abgedeckt an einen warmen Ort. Ideal sind etwa 20-25 Grad. Mit einer Bierwürzespindel kannst Du nun sehr schön beobachten, wie der Extraktgehalt zurückgeht. Nach meist etwa drei Tagen ist die Schnellprobe durchgegoren. Nun kann der scheinbare Vergärgrad abgelesen werden. Achtung: Mit einem eigentlich exakter arbeitenden Refraktometer funktionieren die nachfolgenden Berechnungen nicht, da der scheinbare Vergärgrad, den eine Bierwürzespindel anzeigt, durch den entstandenen Alkohol verfälscht ist. Diese ungenaue Meßweise ist aber über lange Zeit in die Braupraxis eingeflossen und daher quasi ein Standard.
Nachgärung
Nach der Hauptgärung befindet sich im Gärfaß Jungbier. In ihm sind die vergärbaren Zucker bereits weitgehend zu Alkohol und Kohlendioxid abgebaut. Da die Gärung bis hierher offen stattfand, fehlt die Spritzigkeit der Kohlensäure, die sich nur bei sehr tiefen Temperaturen oder unter Druck so gut löst, daß Du Dein Bier als prickelnde Wohltat empfindest.
Für die Anreicherung mit Kohlensäure, die im nächsten Schritt unter Druck stattfindet, werden in der industriellen Herstellung fast immer mehrere Meter hohe, zylindrokonische Gärtanks eingesetzt. Für Hobbybrauer wie Dich und mich gibt es hauptsächlich zwei bewährte Verfahren:
- Nachgärung in Metallfässern.
- Nachgärung in Flaschen.
Das Prinzip ist in beiden Fällen das gleiche: In einem Druckbehälter wird eine vorher definierte Restmenge vergärbarer Zucker zuende vergoren. Da das Kohlendioxid nicht entweichen kann, entsteht im Behälter Druck, der es zwingt, sich in der Würze zu lösen. So ergibt sich die als angenehm empfundene Spritzigkeit des Biers.
Bei der Faßgärung, die der professionellen Tankgärung sehr nahe kommt, besteht im Anschluß die Möglichkeit, nach einigem Warten das Bier von der sich absetzenden Hefe zu trennen und es, wenn gewünscht, zu filtrieren. Es kann danach mit einem speziellen Gegendruckfüller in Flaschen gefüllt oder, zünftiger und bequemer, am Hahn gezapft werden. Da dieses Verfahren einiges an Aufwand und vor allem an Ausstattung erfordert, stelle ich Dir in dieser Anleitung vorwiegend die einfachere Flaschengärung vor.
Rezens berechnen
Wie viel Restzucker wird nun für die Nachgärung benötigt? Ich schrieb eben von "angenehmer Spritzigkeit". Diese wird natürlich individuell verschieden empfunden:
- Bei Raumtemperatur und ohne Druck lösen sich in einem Liter Bier etwa 1,5 2 Gramm Kohlendioxid (je wärmer, desto weniger). Einfach nachvollziehbar am Tag nach einem geselligen Abend durch einen Probeschluck aus einem nicht ganz leer gewordenen Glas.
- Viele britische Ales liegen mit 3 4 g/l kaum darüber.
- Typische deutsche Biere sind meist mit 4 5 g/l gespundet, mit Ausnahme von
- Weizenbieren und alkoholfreien Sorten, die oft deutlich rezenter sind und bis zu 6,5 g/l Kohlendioxid beinhalten.
Eine vereinfachende Faustregel besagt, daß aus zwei Gramm Zucker je ein Gramm Alkohol und Kohlendioxid gebildet werden. Wie bestimmst Du mit diesem Wissen und dem gemessenen Vergärgrad der Schnellprobe nun den idealen Restzuckergehalt? Nimm als Beispiel ein bei Raumtemperatur vergorenes Weizenbier, das später 6g Kohlendioxid je Liter gebunden haben soll.
- Bei Raumtemperatur sind bereits etwa 1,5 Gramm durch die Hauptgärung gelöst.
- Es fehlen also noch 4,5 Gramm je Liter, die in der Nachgärung noch zu binden sind.
- Gemäß der o. g. Faustregel müssen sich also in jedem Liter noch neun Gramm vergärbaren Extrakts befinden.
- Ein Grad Plato, die für den Extraktgehalt übliche Maßeinheit, entspricht (ungefähr!) zehn Gramm gelöstem Zucker.
- Die Schnellgärprobe hat einen nicht vergärbaren scheinbaren Restextraktgehalt von 3,5 Grad Plato angezeigt.
- Zu diesen 3,5 Grad rechnest Du das eine Grad für die knapp zehn Gramm vergärbaren Zucker hinzu.
- Ergibt einen Extraktgehalt von 4,5 Grad Plato, der zu Beginn der Nachgärung noch vorhanden sein muß.
Wie gesagt, dieses Beispiel ist stark vereinfacht. Die exakten Berechnungen unter Berücksichtigung der Gärtemperatur und weiteren Faktoren sind etwas komplexer und lassen sich zum Beispiel mit dem Sudplaner exakt durchführen.
Grünschlauchen
Sobald das Jungbier den vorher berechneten notwendigen Restextraktgehalt erreicht hat, wird es in den Nachgärbehälter gefüllt und dieser druckfest verschlossen. Diese Methode nennt sich Grünschlauchen, wobei "grün" hier "unreif" meint, da das Bier ja noch nicht fertig vergoren ist. Grünschlauchen ist die einfachste und professionell auch am meisten verbreitete Vorgehensweise. Es erfordert allerdings zum Ende der Gärung eine konstante Überwachung.
Grünschlauchen mit Spundventil
Während das exakte Grünschlauchen ein zeitkritisches Unterfangen ist, gibt es eine ausgesprochen elegante Erweiterung dieses Verfahrens. Sie besteht im wesentlichem aus einem einstellbaren Überdruckventil (Spundventil) und beruht auf dem Zusammenhang zwischen Kohlensäuregehalt, Temperatur und Druck. Wenn Du die Nachgärung in Tanks (Fässern) durchführst, mußt Du nichts weiter tun, als aus der Nachgärtemperatur und der gewünschten Rezenz den Sättigungsdruck zu errechnen, ein geeignetes Spundventil mit Manometer auf diesen Wert einzustellen und an deinen Nachgärtank anzuschließen und natürlich das Jungbier rechtzeitig in den Nachgärtank abzufüllen.
"Rechtzeitig" bedeutet: So spät wie möglich, damit sich möglichst viel unerwünschter Trub im Gärbehälter absetzen kann, und so früh wie nötig, damit auf jeden Fall noch genug vergärbarer Restextrakt vorhanden ist. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kannst Du Dich entspannt zurücklehnen und mußt nur noch ein bis zwei Wochen warten, bis das junge Bier fertig für die Endreifung ist.
Das Einstellen des Spundventils funktioniert am besten, indem Du es an eine Gasflasche mit Druckminderer anschließt, an dem Du den gewünschten Druck eingestellt hast. Dann öffnest Du das Gas und verstellst das Spundventil, bis Du genau den Punkt erreicht hast, ab dem kein es Gas mehr abläßt.
Den richtigen Druck (P) errechnest Du übrigens aus Temperatur (T) und gewünschter CO2-Menge in Gramm je Liter (G) nach dieser Formel (vereinfacht; "normaler" Atmosphärendruck vorausgesetzt):
P = G : (2,72-10,74+(2617,25 : (T + 273,15) ⋅ 10) - 1,013
Speisegabe
Da gerade wir Hobbybrauer im Gegensatz zu gewerblichen Brauern noch einen Hauptberuf haben, ist es für uns ungleich schwerer, den idealen Zeitpunkt zum Einschlauchen abzupassen. Wenn nicht gerade ein Spundventil zur Hand ist, kommt uns daher eine Methode gelegen, die Profis nur bei flaschengärendem Hefeweizenbier einsetzen: Die sogenannte Speisemethode.
Sie besteht darin, vor der Hefegabe den ungefähr nötig werdenden Restextrakt in Form von Würze zu entnehmen und aufzubewahren. Sobald das Jungbier komplett durchgegoren ist, wird von diesem Vorrat die abhängig vom gemessenen Vergärgrad berechnete Menge wieder zugefügt. Das Ergebnis ist ein Jungbier mit einem exakt passenden Restexktraktgehalt, das sofort eingeschlaucht werden kann.
Zuckerzusatz
Eine brauhistorisch nicht unbedingt stilvolle, dafür allerdings sehr einfache Maßnahme, um den richtigen Druck auf Flasche oder Faß zu bekommen, ist die Zugabe von "Fremdzucker", also solchem, der nicht im Brauvorgang selbst entstanden ist. Abgesehen von der simplen Anwendung kann diese Methode auch aus der Klemme helfen, wenn nicht (mehr) genug Speise da ist oder Du den Zeitpunkt zum Grünschlauchen versäumt hast.
Geeignet ist vor allem natürlich Malzzucker, aber auch Fruchtzucker, Traubenzucker und sogar ordinärer Haushaltszucker erfüllen den Zweck. Die meisten Zucker vergären vollständig zu Alkohol und Kohlendioxid. Das würde bei großen Mengen zu einem "leeren" Geschmack führen bis heute ist mir unerklärlich, warum viele Einsteigersets ernsthaft die Zugabe von 50% Haushaltszucker schon zur Hauptgärung empfehlen! Die zur Nachgärung nötigen Mengen, nach obigem Beispiel also für 20 Liter Jungbier 180 Gramm, sind für solche Auswirkungen jedoch glücklicherweise zu klein.
Wenn Du es dennoch so stilecht wie möglich machen willst, kannst Du auch den überall erhältlichen (ungehopften!) Trockenmalzextrakt verwenden. Bedenke, daß dieser, genau wie richtige Bierwürze, im Schnitt 20% nichtvergärbare Zucker enthält. Statt wie oben berechnet neun wären hiervon also gut 11 Gramm je Liter zuzugeben.
Abschlauchen
Ist das Jungbier fertig durchgegoren, kann die Abfüllarbeit beginnen. Dazu mißt Du, wenn nötig, als erstes die richtige Speisemenge ab. Wenn Du Zucker verwendest, löst Du ihn zur Vermeidung unnötigen Aufschäumens und Zwecks besserer Durchmischung in einer vorher entnommenen kleinen Menge des Jungbiers auf. Speise oder Zuckerlösung werden dann vorsichtig (Lufteintrag minimieren!) in das Auffanggefäß vorgelegt.
Das Zielgefäß sollte, genau wie das Gärfaß, einen Ablaßhahn haben. Den prüfst Du bitte immer vor dem Einfüllen routinemäßig daraufhin, ob er auch zu ist. Dein Fußboden wird es Dir danken.
Oberhalb des Zielgefäßes mit der Speise plazierst Du nun das Gärfaß. Da die Hähne der meisten Fässer relativ weit oben sitzen, stellst Du das Faß am besten schon jetzt etwas schräg. Das erleichtert später das Ablaufen. Vergiß nicht, die Gärglocke zu öffnen, denn sonst entsteht mangels nachströmender Luft Unterdruck und dann fließt nichts.
Damit das Jungbier beim nun folgenden Umfüllen so wenig wie möglich Kontakt mit hier unerwünschtem Luftsauerstoff bekommt und keine Kohlensäure verliert, befestigst Du einen passenden, lebensmittelechten und ordentlich gesäuberten Schlauch am Ablaßhahn des Fasses, dessen unteres Ende Du in die vorgelegte Speise eintauchst. Dann öffnest Du den Hahn vollständig und läßt das Jungbier in die Speise laufen. Diesen Vorgang nennt man, zu Ehren des Schlauches, (Ab-)schlauchen, und er hat noch den Vorteil, daß sich Speise und Jungbier gut vermischen.
Abfüllen
Im Auffangbehälter befindet sich nun das weitgehend von der Hefe und den abgelagerten Trubstoffen befreite, noch nicht ganz durchgegorene Jungbier. Zum Druckaufbau muß es nun in den Druckbehälter, heute also in die Flasche(n). Weitere Abfüllmethoden findest Du im Detailwissen: Abfüllen. Auch an diesen Arbeitsschritt lautet die Anforderung wieder: Möglichst wenig Kohlensäure raus, möglichst wenig Luft rein.
Ein beim ersten Gedanken naheliegender Trichter, durch den das gute Bier also munter plätschert, scheidet also aus. Wie beim Abschlauchen, sollte das Bier bis zum Boden der Flasche geführt werden. Ein Schlauch, der auf den Ablaufhahn gesteckt ist, tut hier also gute Dienste auch bei der Verwendung von Fässern. Noch einfacher ist es bei Flaschen mit einem automatischen Füllröhrchen, wie Du es im gut sortierten Zubehörhandel für wenig Geld bekommst: Es hat an der Unterseite ein Ventil, das sich nur durch sanften Druck mit dem Flaschenboden öffnet.
Druckaufbau
Sobald eine Flasche gefüllt ist, wird sie verschlossen. Besonders einfach ist das mit Bügelverschlußflaschen ("plopp!"). Anschließend beginnt die Nachgärung, die 14 bis 21 Tage dauern sollte. Sie wird bei der gleichen Temperatur wie die Hauptgärung durchgeführt. Bei Bügelverschlußflaschen ist es einfach, den Prozeß zu verfolgen: Einfach den Deckel kurz anheben spätestens nach zwei Tagen zischt es für gewöhnlich hörbar. Bitte nicht alle Flaschen jeden Tag öffnen, werdendes Bier mag Ruhe! Auch die fortschreitende Klärung durch Absetzen von Hefe und Trubpartikeln kannst Du jetzt sehr schön beobachten.
Reifung
Die letzte Phase der Bierwerdung besteht schließlich darin, die entstandene Kohlensäure gut an das Bier zu binden. Das ist wichtig, damit das Bier nicht zu schnell schal wird und eine schöne Schaumkrone bilden kann. Die Löslichkeit steigt mit abnehmender Temperatur. Laß' die Reifungsphase daher so nah wie möglich an 0 °C ablaufen und wenigstens eine Woche dauern.
Wenn Du auch diese letzten Geduldsproben überstanden hast, wird es Zeit, Dein Bier auf Trinktemperatur zu bringen. Die jeweils empfehlenswerten Temperaturen findest Du bei den Biersortenbeschreibungen.
Wohlsein!