Kaum irgendein Vorschriftenwerk auf der Welt genießt einen so guten Ruf wie jenes, das bis heute die Bierherstellung in Deutschland maßgeblich reguliert. Unter der, wie Du sehen wirst: irreführenden Bezeichnung Deutsches Reinheitsgebot von 1516 legen teils recht eigenwillige Bestimmungen des vorläufigen Biergesetzes von 1993 fest, was in deutschen Gärkellern zu Bier werden darf und vor allem: Was nicht.
Nüchtern betrachtet dreht sich der ganze Hokuspokus um eines jener in Deutschland beliebten Siegel, die für sich sprechen und dem potentiellen Kunden signalisieren (wollen): Nicht denken, kaufen! Das und der Umstand, daß es seit jeher von seinen Verfechtern mit viel historisierendem Brimborium verklärt und auch von der Medienlandschaft weitgehend unkritisch als Standortvorteil und historischer Glücksfall bejubelt wird, macht es zu einem in der Bevölkerung nachhaltig verwurzelten Komplex von fast Nibelungischer Sagenhaftigkeit.
Sagenhaft: Sieben Mythen
Ich mache, wie Du siehst, kein Geheimnis daraus, daß ich dieses Siegel nicht leiden kann. Und dafür gibt es gute Gründe. Zum Beispiel den, daß ich keine Chemie in meinem Bier haben will. Chemie? Die darf doch da gar nicht rein! denkst Du? Denkste! Und damit sind wir auch schon mittendrin. In den sieben Mythen des sogenannten Reinheitsgebotes, die ich im Folgenden mit Freude und Argumenten auseinandernehmen werde.
Mythos 1: Das Reinheitsgebot von 1516 ist das älteste noch gültige Lebensmittelgesetz der Welt
Falsch! Der als "Reinheitsgebot" verklärte herzögliche Erlaß aus dem Jahre 1516 besagt, daß zur Herstellung von Bier nichts als allein Gerste, Hopfen und Wasser zu verwenden sei. Indes: Aus Gerste, Hopfen und Wasser kann man überhaupt nicht das brauen, was der Verbraucher sich heute in seinem Bierglas wünscht. Gerste (wohlgemerkt: Nicht etwa Gerstenmalz!) enthält so gut wie keine für die Entstehung vergärbarer Zucker benötigten Enzyme und aus Gerste (wie gesagt: Nicht Gerstenmalz!) Bier zu brauen erlauben die heute tatsächlich gültigen Vorschriften überhaupt nicht.
Wortklauberei? Mitnichten: Wer einmal eine Mälzerei besichtigt hat, weiß, welcher immense zeitliche, technische und energetische Aufwand den kleinen aber bedeutenden Unterschied zwischen Gerste und Gerstenmalz erst möglich macht.
Richtig ist: Die aktuell für die gewerbliche Bierherstellung in Deutschland verbindlichen Vorschriften finden sich im "vorläufigen Biergesetz" von 1993 und sind damit keine 500, sondern gerade mal 15 Jahre alt. Sie haben mit dem als "Reinheitsgebot" überlieferten Text praktisch nichts gemein.
Mythos 2: Kein deutsches Bier darf aus mehr denn Hopfen, Malz und Wasser gemacht werden
Falsch! Das Ergebnis, wenn man allein diese Zutaten einsetzte, ließe sich eventuell trinken. Ob es dann nach dem schmeckte, was man sich unter Bier normalerweise vorstellt, wäre reine Glückssache. Und tatsächlich galt Glück (sowie Gottes Segen) anno 1516 als fester Bestandteil der Braukunst, denn wenn die wundersame Wandlung von der Würze zum Bier mal stattfand, vermochte man das zwar gebührend zu würdigen, nicht aber zu erklären.
Im Gegensatz zu heute: Praktisch jedem Bier gibt der Brauer während der Herstellung gezielt Milliarden ausgesuchter und in aufwendiger Laborarbeit gezüchteter lebender Mikroorganismen zu und beläßt diese oft auch im fertigen Bier. Obendrein dürfen unter bestimmten Voraussetzungen ganz legal Zucker, künstlich hergestellte Farbstoffe und sogar Süßstoff verwendet werden.
Richtig ist: Für praktisch kein Bier, das in Deutschland gekauft werden kann, wurden zur Herstellung ausschließlich Hopfen, Malz und Wasser verwendet.
Mythos 3: Das "Reinheitsgebot" wurde zum Verbraucherschutz erlassen
Falsch! Zu keiner Zeit, auch nicht 1516, hatte ein "Reinheitsgebot" auch nur im Mindesten etwas mit der Sorge um die Bierqualität zu tun. Mittlerweile gestehen selbst die treuesten Reinheitsfanatiker ein, daß es die Beliebtheit des Weizenbieres war, die man als Gefahr für die Brotversorgung gesehen habe und der man durch die Festlegung auf Gerste Einhalt habe gebieten wollen.
Doch nicht einmal in diesem Sinn dürfte es dem Herzog um das Volkswohl gegangen sein. Vielmehr sahen die Gerstenbauern ihren Absatz durch die zunehmende Beliebtheit des Weizenbiers bedroht und forderten entsprechende Gegenmaßnahmen. Nicht zuletzt ließen sich durch die Regulierung des Weizenbiermarktes noch zusätzlich Geld und Einfluß erreichen, indem man das Weißbierbrauen zum herzoglichen Privileg erklärte und nur noch ausgesuchten Häusern gestattete.
Richtig ist: Wie so viele "Schutzgesetze" diente (und dient) auch jenes alljährlich mit viel Brimborium und Nippes zelebrierte "Reinheitsgebot von 1516" nur einem Schutz: Dem etablierter Kartelle.
Mythos 4: Das "Reinheitsgebot" schützt den Verbraucher
Das stimmt. Es fragt sich allerdings, vor wem oder was. Vor fragwürdigen Inhaltstoffen jedenfalls nicht, denn nach dem Wortlaut der heute tatsächlich geltenden Vorschriften (§9 VI vBierG) dürfen
Klärmittel für Würze und Bier ... verwendet werden, die ... bis auf gesundheitlich, geruchlich und geschmacklich unbedenkliche, technisch unvermeidbare Anteile wieder ausgeschieden werden.
Das klingt nach Verbraucherschutz und ist natürlich nichts als verbales Valium: Wie unvermeidlich bitte ist "technisch unvermeidlich"? Und: Wessen Sinne bewerten die Makellosigkeit von Geruch und Geschmack? Welche Vorschrift regelt, welche Behörde überwacht die versprochene "gesundheitliche Unbedenklichkeit"? Wie viele Verbraucher würde wohl allein der Name des beliebten Schönungsmittels Polyvinylpolypyrrolidon (PVPP) abschrecken, dessen Rückstände in den meisten handelsüblichen Bieren ganz legal enthalten sind? Und warum muß keiner dieser Stoffe auf dem Etikett angegeben werden, wenn sie doch unbedenklich sind?
Richtig ist: Wenn das "Reinheitsgebot" den Verbraucher vor irgend etwas schützt, dann vor der Einsicht in die Notwendigkeit, sich nicht blind auf bunte Gütesiegel zu verlassen, sondern über die Zusammensetzung von ihm gekaufter Ware in eigener Verantwortung zu informieren. Und vor allem: Davor, sich eigenverantwortlich und umfassend informieren zu können.
Mythos 5: Das "Reinheitsgebot" schützt die deutschen Brauer
Schön wär's (für die deutschen Brauer) geschützt werden aber bestenfalls noch jene, die sich vor innovativer Konkurrenz aus dem eigenen Land fürchten. Einen Schutz gegen die auf bisweilen tatsächlich fragwürdige Art hergestellten Produkte aus anderen Ländern bieten die nationalen Vorschriften im Zuge der EU-Harmonisierung nämlich schon lange nicht mehr.
Ein Blick in deutsche Ladenregale zeigt: Was dort steht und aus Deutschland kommt, darf sich nur dann "Bier" nennen, wenn es dem "Reinheitsgebot" entspricht. Wer sonstwo in der Welt braut, darf Ochsengalle, Schwefel-, Salz- und Benzoesäure, Phosphate und vieles mehr mit verbrauen und sein Produkt hierzulande dennoch als "Bier" feilbieten.
Es läge nahe, daß Deutsches Bier aus diesen Gründen erst recht und vor allem von kritischen Verbrauchern besonders gerne gekauft würde weit gefehlt. Immer mehr Konsumenten greifen zu "internationalen" Bieren ("mit einem Schuß Tequila"), "Alkopops" und allem, was möglichst nicht nach Felsquellwasser schmeckt, sondern vor allem bunt aussieht und/oder blau macht. Daß das "piefige" deutsche Einheitsbier da nicht mithalten kann, haben die Verfechter des Reinheitsmärchens viel zu spät bemerkt und versuchen nun verzweifelt, ihre Gerstenwässer mit pappiger Brause und poppigen Etiketten zu verjüngen. Vergebens, wie sinkende Umsätze und zunehmende Konzentration beweisen.
Richtig ist: Das "Reinheitsgebot" schützt deutsche Brauer. Vor Umsatz.
Mythos 6: Wir haben trotz (oder dank) Reinheitsgebot eine riesige Biervielfalt!
Zugegeben: Schon allein aus Wasser, Malz, Hopfen und Hefe läßt sich eine schier unendliche Biervielfalt herstellen. Zumindest theoretisch. In der Praxis hingegen führen immer gigantischere Konzernstrukturen und großindustrielle, sterile Herstellungsmethoden vor allem zum omnipräsenten Einheits-"Pils": Geschmacksneutral, mild, wäßrig, stets im Fernsehen mit viel grün (Bäume, Hopfen), gold (Getreidefelder, Opernlüster) und blau (Himmel, Bergseen) beworben und für möglichst viele Kunden ohne Ekel in großen Mengen verzehrbar.
Ein Treppenwitz: Gerade die mit reinheitlichen Mythen nach altbewährtem Schema "F" hart umkämpften Massen greifen, wenn überhaupt noch zu Bier, dann immer öfter zu solchem, dem irgendwelche süßen Brausen und/oder geheimnisvoll klingende Zutaten wie Drachenfruchtaroma zugesetzt werden. Und wirkliche Bierliebhaber sorgen dafür, daß bei allem Umsatzverlust der Braugiganten ausschließlich innovative Kleinstbrauereien, bei denen es schon mal Bier aus Whiskymalz und andere Experimente zu trinken gibt, zusätzliche Einnahmen verbuchen können.
Beide Käufergruppen belegen eins: Einheitspils wollen weder einfach gestrickte noch anspruchsvolle Konsumenten heute noch trinken. Der Trend geht zur geschmacklichen Abwechslung. Reisende, die Traditionsländer der obergärigen Bierkultur besuchen, schwärmen, wenngleich oft ohne um die zutätlichen Gründe zu wissen, von belgischem Kriek (mit Kirschen), Irisch-Rotem (mit ungemälzter Röstgerste) oder extra starkem India Pale Ale, das seine besonders facettenreichen Hopfennoten der (nach dem "Reinheitsgebot" ebenfalls verbotenen) Hopfenzugabe ins Gärfaß verdankt.
Richtig ist: Tatsächlich ließe sich schon im Rahmen der geltenden Vorschriften deutlich mehr Vielfalt erreichen, als sie in den meisten Regionen Deutschlands heute im Regal und am Tresen zu finden ist.
Richtig ist aber auch: Das Bessere ist des Guten Feind, und der größte Feind der Vielfalt ist eine noch größere Vielfalt. Die gäbe es ohne Zweifel, könnten innovative Kleinbrauereien endlich auch in Deutschland ohne rechtliche Bedenken Bier aus Zutaten herstellen, die Brauereierzeugnissen in anderen Ländern bisweilen zu Weltruhm verholfen haben. Wer wollte frischen Kirschen, biologisch angebautem Hafer oder weihnachtlichen Gewürzen wie Zimt und Anis die Reinheit absprechen? Oder gar die Fähigkeit, für mehr Vielfalt in deutschen Biergläsern zu sorgen?
Mythos 7: Das "Reinheitsgebot" sichert Deutschlands Vorherrschaft auf dem Weltbiermarkt
Welche Vorherrschaft? Auf dem Weltmarkt legen Deutsche
Braukonzerne längst nur noch eine stets wachsende Zahl
vor: Die Plazierung in der Rangliste. Den Ton geben heute
Chinesische, Russische und US-Amerikanische Gruppen an: Unter den 40 größten
Akteuren des Weltmarkts befinden sich einschlägigen
Branchenauswertungen zufolge ganze drei aus dem Land der Reinlichkeit,
die besten erreichen Plätze außerhalb der Top 20 (Stand 2007)
.
Bei einer solchen Marktlage hilft es wenig, daß Deutschem Gerstensaft unverändert der Nimbus besonders hoher Güte anhängt. Vor allem, wenn man bedenkt, daß für die Ausfuhr bestimmtes Bier den reinigenden Vorschriften des Biergesetzes nicht zwingend unterliegt und es außerdem in keinem Land der Welt eine verbindliche Regelung gibt, die den Begriff "german purity law" in irgendeiner Weise festschreibt.
Das bedeutet im Klartext nichts anderes, als daß eine deutsche Brauerei seelenruhig mit Benzoesäure haltbar gemachtes und mit beliebigen Hilfsmitteln zum Schäumen gebrachtes Gebräu aus zweitklassigen Rohstoffen überall auf der Welt als "streng nach dem deutschen Reinheitsgebot gebraut" verkaufen kann und darf. Man darf getrost annehmen, daß genau das auch getan wird. Getreu der auch im Bankwesen verbreiteten und vor allem im Zusammenhang mit gewissen Finanzkrisen geäußerten Rechtfertigung: Was nicht verboten ist, wird getan, weil es sonst ein anderer täte. Na dann: Cheers, santé, nasdorowje.
Richtig ist leider: Auf dem Weltmarkt haben Deutsche Brauereien alle möglichen Sorgen genau wie im eigenen Land. Mit einem schnörkeligen Liebhabersiegel werden sie da auch nicht viel weiter kommen.
Was bleibt?
Fassen wir mal zusammen:
- Immer weniger Deutsche mögen das, was als "reines" deutsches Bier in den Supermarktregalen steht.
- Immer geringer wird die weltweite Bedeutung deutschen Bieres.
- Wo rein natürliche Zutaten vermutet werden, darf in Wirklichkeit drin sein, was immer das Labor hergibt. Sei es für den Export- oder für den Binnenmarkt.
- Selbst historisch verwendete Rohstoffe müssen hingegen, zum Teil nach völlig willkürlichen Bestimmungen, draußen bleiben.
- Echte Abwechslung, die den Bierhorizont erweitern würde ohne ihn zu verschieben, bleibt auf der Strecke.
Immerhin, das sogenannte Reinheitsgebot ist bei aller Kritik eine durch und durch typisch deutsche Angelegenheit und wird in bester Weise durch Beispiele wie das Supermarktbrot unterstrichen, das lt. Gesetz ohne Konservierungsstoffe hergestellt wird. Nicht, daß da keine Zusätze drin wären, die ein Bio- oder Hobbybäcker niemals einsetzen würde und die der Haltbarmachung dienen: Das, was drin ist, wird vom Gesetz ganz einfach entweder als Zutat definiert oder darf, noch besser, als nicht mehr deklarationspflichtiger Hilfsstoff mit in den Teig.
Was also auch immer in Wirklichkeit in Brot oder Bier steckt: Der mündige Deutsche Verbraucher liebt's, fühlt sich gut, da er sich ja sicher sein kann ohne selbst überlegen zu müssen und selbst, wenn er es wollte, könnte er nie erfahren, was da tatsächlich alles in dem Teigprodukt unterhalb seiner Käsescheibe steckt oder im Humpen sprudelt.
Und jetzt?
Sinnvoll oder nicht: Zu lange hat bierselige Propaganda offen wie versteckt Verbraucherhirne gewaschen oder benebelt, in vermeintlicher Sicherheit gewogen und unnötige Ängste vor Unbekanntem geschürt. Wer immer daherkommt und die vermeintliche reine Sicherheit abschaffen will, der führt demnach gemeinhin Böses im Schilde und will sich mit gepanschtem Bier zu Lasten der rechtschaffenen Brauer bereichern. Ohne einen sinnvollen Gegenentwurf, der das sicherstellt, was der Verbraucher bisher grundlos vom "Reinheitsgebot" erwartet, nämlich: gutes und sauberes Bier, geht es also nicht.
Hier ist deshalb so ein Entwurf.
Echt sauber: Das neue Deutsche Reinheitsgebot. Eine Fiktion.
1. Leitsatz
Die nachfolgenden Ausführungen sollen Deutsches Bier als nationales Kulturgut bewahren und dafür sorgen, daß Kreativität und Vielfalt der Hersteller die Beliebtheit des Bieres beim Verbraucher erhalten und mehren. Sie sollen außerdem sicherstellen, daß der Verbraucher jederzeit volle Transparenz über die in von ihm gekauftem Bier enthaltenen Stoffe erhält.
2. Definitionen
2.1. Bier: Als Bier im Sinne dieser Vorschrift gilt ausschließlich ein Getränk, das durch Vergären von überwiegend aus stärkehaltigen Rohstoffen gewonnenen Extrakten, die in Wasser gelöst sind, hergestellt wird.
2.2. Zutaten:
-
2.2.1.: Stärkehaltige Rohstoffe sind pflanzliche Produkte (Früchte, Samen), deren für die menschliche Ernährung nutzbarer Anteil mindestens zur Hälfte aus Stärke besteht.
-
2.2.2.: Sonstige Rohstoffe sind alle aus Pflanzen, Früchten oder Bienenhonig ohne Zusatz von künstlichen Hilfsstoffen gewonnenen Extrakte, sofern diese lebensmittelrechtlich zugelassen sind.
2.3. Zusatz- und Hilfsstoffe: Alle lebensmittelrechtlich zugelassenen direkten und indirekten Zusatz- und Hilfsstoffe dürfen eingesetzt werden. Sie sind deutlich als solche in der Zutatenliste zu kennzeichnen.
2.4.: Vergärung: Die Vergärung erfolgt durch kombinierte oder aufeinanderfolgende Zugabe von lebensmittelrechtlich zugelassenen Mikroorganismen wie Hefepilzen oder Bakterien.
3. Kennzeichnungen und Deklarationen
3.1.: Genetisch manipulierte Zutaten und Mikroorganismen müssen deutlich abgesetzt und gut erkennbar als solche deklariert werden.
3.2.: Vollständige Deklaration Alle zugesetzten Rohstoffe, Zutaten und Hilfsmittel müssen, auch wenn sie durch mechanische Filterung vor dem Inverkehrbringen wieder entfernt werden, vollständig (bei Mikroorganismen: einschließlich ihrer wissenschaftlichen Hauptgattung sowie bei Hefen nach Art ihrer Gärung) in einheitlicher Schriftgröße und -gestaltung aufgeführt werden.
3.3.: Thermische Behandlung Die Haltbarmachung durch Erhitzung (pasteurisieren) ist unmittelbar unter oder neben der Zutatenliste in gleicher Schriftgröße und -gestaltung anzugeben.
4. Optionale Kennzeichnungen
4.1.: Kennzeichnung "deutsches Reinheitsgebot" Bier, das im Sinne der Ausführungen unter 1. - 3. ausschließlich aus vermälztem Getreide, Hopfen/Hopfenextrakt, Wasser und Hefe ohne weitere Zusatzstoffe hergestellt wurde, darf das in einer gesonderten Verordnung näher beschriebene amtliche Siegel getreu dem traditionellen deutschen Reinheitsgebot tragen.
4.2.: Kennzeichnung "deutsches Reinheitsgebot von 1516" Bier, das im Sinne der Ausführungen unter 1. - 3. ausschließlich aus Gerste, Hopfen und Wasser hergestellt wurde, darf das in einer gesonderten Verordnung näher beschriebene amtliche Siegel getreu dem deutschen Reinheitsgebot von 1516 tragen.
4.3.: Kennzeichnung "reines Bio-Bier" Bier, das im Sinne der Ausführungen unter 1. und 2. keine Hilfs- und Zusatzstoffe enthält und dessen Zutaten den Richtlinien des Bioland-Verbands entsprechen, darf das in einer gesonderten Verordnung näher beschriebene amtliche Siegel Bio-Bier getreu dem deutschen Reinheitsgebot tragen.
Alt und neu im Praxistest
Und wie sähe sie aus, die reine deutsche Bierwelt, wäre der oben genannte Vorschlag eben nicht Vorschlag sondern Vorschrift? Probieren wir es aus und etikettieren wir doch mal ein völlig durchschnittliches, handelsübliches bayerisches Weizenbier einmal nach aktueller und einmal nach der oben vorgeschlagenen, zwar fiktiven, aber dafür wirklich verbraucherfreundlichen Vorschrift:
Und jetzt, um die momentane Schieflage mal auf den Punkt zu bringen, ein Getränk, das eindeutig ein reines und wirklich naturbelassenes Bier ist und sich nach heutigem Stand doch nicht so nennen darf, weil ein paar unvermälzte Bio-Roggenkörner mit verbraut wurden und trotz dem Roggenanteil untergärige Hefe verwendet wurde:
Und welches Bier würdest Du lieber trinken?
Bis dahin: Hilf dir selbst!
Gib's zu: Du bist wenigstens ins Grübeln gekommen. Und selbst, wenn Du auch jetzt noch den Gedanken, das bisherige Rechtskonstrukt aufzukündigen, übertrieben, abwegig oder indiskutabel findest: Du möchtest zumindest mal kosten, was passiert, wenn natürliche Zutaten jenseits des "Reinheitsgebots" neue Möglichkeiten eröffnen. Du hast gleich mehrere Möglichkeiten:
- Der Globalisierung sei Dank! Denn mittlerweile findest Du in allen größeren Städten Getränkespezialisten, die wenigstens ein paar wirklich gute Biere aus Belgien (Trappistenbiere, Kriek, Witbier) oder dem Vereinigten Königreich (Honey Porter, Stout, Red Ale) und vielleicht sogar Getränke, die nicht Bier heißen dürfen, aber dennoch Bier sind und aus Deutschland kommen in ihren Regalen beherbergen.
- An den Topf! Schließlich bist Du hier in einem Portal für Hobbybrauer gelandet. Du kannst und darfst Dein eigenes Bier brauen, woraus immer Du lustig bist.