Nicht immer, ja: Eigentlich nur eine bisher sehr kurze Zeit, gemessen an der belegten Geschichte des Biers, war Hopfen das beliebteste und am meisten verbreitete Braugewürz - aufgrund vieler Eigenschaften durchaus nicht ganz zu unrecht. Dennoch gibt es viele gute Gründe, sich auch einmal an ursprüngliche, heute oft exotisch anmutende, ebenso wie bisher eher untypische Kräuter und Würzmittel zu wagen. Sei es als Ergänzung oder auch als vollständiger Ersatz.
Bier und Gewürze: Eine lange Geschichte
Auch, wenn das für unser heutiges Geschmacksempfinden zunächst unvorstellbar scheint: Hopfen ist eine relativ neue und, sofern man nicht gerade der Legende anhängt, daß das Bier im Mittelalter von frommen Mönchen erfunden wurde (oder so ähnlich), keineswegs traditionelle oder ursprüngliche Bierzutat. Denn schon lange, bevor das schnell wachsende und vielseitige Hanfkraut vor einigen hundert Jahren überhaupt von Brauern als Nutzpflanze erkannt und kultiviert wurde, wurden aus Getreideextrakt bereits berauschende Getränke gegoren. Wer sich eine erste, entfernte Vorstellung davon machen möchte, wie das vorchristliche hopfenarme Gebräu geschmeckt haben könnte, braucht eigentlich nur eine Flasche jener heute international verbreiteten, dünnblütigen und hopfenarmen Lagerbiere im Keller zu "vergessen" und nach einigen Jahren Lagerzeit zu verkosten - denn im Gegensatz zur Malzsüße und dem Alkohol unterliegen sowohl Hopfenbittere und noch mehr die Hopfenaromen einem Verfallsprozeß, an dessen Ende ein durchaus trinkbares, aber weitgehend seelenloses mildes Produkt steht. Ähnlich unspektakuläre Resultate dürften die allerersten Brauversuche vor ein paar tausend Jahren hervorgebracht haben. Man darf annehmen, daß schon deshalb schnell nach Mitteln und Wegen gesucht wurde, das angenehm berauschende Gebräu zu optimieren. Auch Haltbarkeitsaspekte spielten angesichts geringerer Alkoholgehalte und anderer mikrobiologischer Kenntnisstände bei der Herstellung sicher schnell eine Rolle. Also experimentierten schon die allerersten Braukulturen eifrig mit exotischen Zutaten wie Alraunenwurzeln - die neben geschmacklichen Effekten auch zusätzliche psychogene Wirkungen einbrachten -, aber auch mit noch heute verbreiteten Küchenkräutern und Gewürzen. Über viele Jahrhunderte, weit bis ins Mittelalter hinein, war das Wissen um Wirkung und Dosierung vieler pflanzlicher Zusatzstoffe fester Bestandteil der Braukunst und nicht ohne Grund galt der Braumeister vielen als ebenso gebildet wie der Alchimist und der Apotheker oder, je nach Sichtweise, mit Hexen und dem Teufel wenn nicht im Bunde, dann zumindest auf Du und Du. Denn nicht selten wurden Biere, je nach verwendeten Zusätzen, mal zur Heilung, mal zur gezielten Kontaktaufnahme mit anderen Sphären eingesetzt, die vermutlich einen deutlich weiteren Adressatenkreis kannte als nur den Gott des Fußballs oder den heiligen Sankt Ballermann. Auch war, wie es sich im zivilisierten christlichen Abendland geziemt, der Handel und die Herstellung verschiedenster Braukräutermischungen, die gemeinhin "Gruit" oder "Grut" genannt wurden, streng reglementiert und nur nach Lizenzerwerb gestattet. Über die Beweggründe, die zur Blütezeit des christlichen Ordenswesens schließlich zu zahlreichen Reinheitsgeboten und damit insbesondere zur Kür des Hopfens als einzig erlaubtes Würzmittel führten, gibt es viele Meinungen und Spekulationen. Während offiziell stets der Schutz vor in der Tat oft überdosierten und giftigen Alkaloiden und anderen Stoffen im Vordergrund steht, mutmaßen Skeptiker, daß die teils aphrodisierenden, teils aufmüpfig machenden Gebräue so manchem weltlichen wie geistlichen Regenten ein Dorn im Auge gewesen sein dürften, während der Hopfen mit seiner gleichwohl Gemüt und Libido beruhigenden Wirkung hier eindeutige machtpolitische Vorteile versprach. Da die Wahrheit bekanntlich meist irgendwo in der Mitte liegt und weil gerade Gewürze und Kräuter viele Möglichkeiten bieten, ohne großen Aufwand Schritte jenseits der vier reinlichen Zutaten zu wagen, werden im Folgenden verschiedene Hopfenalternativen oder -ergänzungen vorgestellt und beschrieben. Auf daß sich jeder selbst ein Bild mache. Und ein Bier, gewürzt nach eigenem Geschmack.
Grundlegende Überlegungen
Ein beliebter und, wenn man auf entsprechende Forenbeiträge aus 15 Jahren zurückblickt, typischer Einstiegspunkt in alternative Würzmittel, ist das "Weihnachtsbier". Zur kalten Jahreszeit stehen Gebräue, die mehr wärmen als erfrischen und die sich auch mal mit Plätzchen und Lebkuchen vertragen, offensichtlich hoch im Kurs. Was liegt da näher, als ein diesem Gebäck entsprechendes Bier zu brauen? Und hier folgt nicht selten die erste Enttäuschung auf dem Fuß. Statt dem erhofften flüssigen Zimtsternchen landet auf der Zunge meist ein scharfes und eher medizinisches Getränk und lehrt den ambitionierten Hobbybrauer die erste Lektion:
Die süße "Plätzchenfalle"
Anders als in Christstollen oder Vanillekipferl wird ein Großteil des Würzezuckers bekanntlich zu Alkohol. Dieser kann zwar eine vorhandene Restsüße (etwa von Karamellmalz) unterstreichen, aber nicht ersetzen. Und so stehen bei vielen Erstlingswerken Zimt und Pfeffer mit ihrer ganzen Schärfe Seit' an Seit' mit eventueller Hopfenbittere und einem schlanken Körper, jedoch ohne jede ausgleichende Süße - Enttäuschung ist vorprogrammiert. Grundlegend gilt: Gewürze, aber auch Kräuter, die scharfe oder bittere Stoffe beinhalten, dominieren den fertigen Sud oft anders als geplant. Insbesondere bei "Plätzchenbier", aber auch generell beim Einsatz schärfehaltiger Gewürze, sollte also ein möglichst geringer Vergärgrad eingeplant werden. Karamellmalzanteile von zehn Prozent können, je nach Gewürz, zum Beispiel sehr sinnvoll sein. Die tatsächliche Wirkung von Gewürzen und Kräutern läßt sich am besten einschätzen, wenn man sie einmal pur probiert. Eine zerkaute Zimtstange (Wasser bereithalten!) gibt ebenso wie ein Stückchen Ingwerwurzel einen guten Eindruck von dem, was er dem fertigen Bier hinzufügen wird. In diesen beiden Fällen ist das vor allem Schärfe.
Aroma und Schärfe
So, wie ein Sud durch Aromahopfen je nach Zugabeverfahren und Kochdauer mehr oder weniger aromatisch wird, wirkt sich auch bei vielen anderen Würzstoffen eine zunehmende Kochdauer nachteilig auf charakteristische Duft- und Geschmacksstoffe aus, da die ätherischen Öle leicht flüchtig sind. Eine schonende Extraktion, also durch Zugabe bei Kochende oder sogar erst während Gärung oder Reifung ist, begünstigt durch die extrahierende Wirkung (Mazeration) von Kohlensäure und Alkohol, fast immer die geeignetere Methode. Im Gegensatz zu Hopfen, bei dem die bitternden Alphasäuren erst durch den Kochprozeß löslich werden, geben die meisten Gewürze und Kräuter, soweit vorhanden, ihre Schärfe-, Bitter- und/oder Gerbstoffe sogar oft problemlos auch noch bei Kaltextraktion ab. Dies sollte ggf. auch bei der Berechnung der Hopfenbittere bedacht werden. Soll hingegen gezielt Schärfe gewonnen werden, etwa aus Ingwerwurzeln, so kann die Ausbeute durch den Kochvorgang natürlich verbessert werden.
Klein anfangen
Auf der sicheren Seite bist du normalerweise mit milden und vor allem aromatischen Kräutern wie Majoran oder lieblichen Vanilleschoten. Auch empfiehlt es sich aus den genannten Gründen, zunächst mit der Kaltextraktion zu beginnen. Eine gute Methode, um nicht gleich einen ganzen Sud zu opfern ist es, wenn du ein nicht zu schlankes und leicht vollmundiges "Basisbier" braust und dieses bei der Nachgärung in den einzelnen Flaschen mit verschiedenen Zutaten aromatisierst. Um einen Eindruck der verschiedenen Aromen zu bekommen, gibst du am besten anfangs immer nur einen Zusatz je Flasche. So lernst du die oft schon von Hause aus komplexen Geschmacksnoten jeder Zutat viel besser zu unterscheiden. Gezielt komponieren kannst du umso besser, je mehr Erfahrung du auf diese Art gesammelt hast. Wie so oft im Leben, gilt gerade hier: Weniger ist meist mehr!
Hygienische Bedenken
Gerade bei der Kaltzugabe sind Sorgen um eventuelle mikrobielle Verunreinigungen berechtigt, aber weitgehend unbegründet. Frische Kräuter sollten allenfalls gut mit (eis)kaltem Wasser gewaschen werden, getrocknete Zutaten bieten für Schädlinge ohnehin keinen attraktiven Lebensarum. Ansonsten ist fertig vergorenes Jungbier wegen seines niedrigen pH-Wertes, des Alkohols und des in der Flasche entstehenden Drucks weitgehend gegen Infektionen gefeit.
Extraktion optimieren
Sofern Zutaten nicht in die Sudpfanne, sondern zur Gärung oder Reifung zugegeben werden, ist der durch die Kohlensäure entstehende Auftrieb zu bedenken, der die meisten Zutaten aufgrund ihres geringeren Gewichts und ihrer großen Oberfläche wie Treibholz nach oben schwimmen läßt. Das Problem, das sich hier ergibt, ist die unvollständige Auslaugung der Aromen, da das Jungbier das Gewürz nicht vollständig umspülen kann. Wer schon einmal Hopfen ohne geeignete Hilfsmittel "gestopft" hat, kennt dieses Phänomen. Um dies zu verhindern, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Man kann, wie bei der Maischegärung im Weinbau früher üblich, mehrmals täglich alles "unterstoßen". Es gibt auch mechanische Einsätze für Gärfässer, die die Feststoffe unterhalb der Oberfläche halten. Die einfachste Methode für unsere Sudgrößen ist in der Regel ein vorher abgekochtes Baumwollsäckchen oder ein sauberer Damenstrumpf, der mit dem Würzmittel befüllt und anschließend durch ebenfalls kurz abgekochte Glasmurmeln ausreichend beschwert und verschlossen wird. Ein durchlässiges, leichtes Gewebe ist hier natürlich sinnvoller als ein dicker Wintersocken. Wenn keine Murmeln zur Hand sind, tun es natürlich auch andere lebensmittelechte Gewichte, wie zum Beispiel einige saubere Löffel aus Edelstahl etc. Erfolgt die Zugabe erst unter Druck, also in der Flasche, ist eine solche Maßnahme nicht notwendig, da die Kohlensäure hier kaum noch aufsteigt.
Kräuter und Gewürze im einzelnen
So, wie sich in der guten Küche unzählige Kräuter und Sämereien zum Verfeinern, Aromatisieren und gar zum Konservieren von Lebensmitteln im allgemeinen eignen, sind sie natürlich auch für das Lebensmittel Bier verwendbar. Darüber hinaus gab und gibt es weitere Planzen, die weniger ob des Geschmacks, sondern vor allem aufgrund ihrer vermeintlich oder tatsächlich bewußtseinsverändernden Eigenschaften zum Brauen verwendet wurden (und vereinzelt von wagemutigen Zeitgenossen immer noch werden). Nachfolgend sind einige, willkürlich ausgewählte Würzmittel und ihre wichtigsten Eigenschaften alphabetisch aufgelistet, natürlich ohne Anspruch auf Vollständigkeit oder tiefgreifend-wissenschaftliche Belastbarkeit. Soweit möglich werden auch jeweils geeignete "Basisbiere" genannt.
Anis
Anis ist ein klassisches Plätzchengewürz, wird aber auch als Brotgewürz sowie in Spirituosen wie Absinth oder Pastis verwendet. Sein Aroma ist lieblich und ein wenig mit Fenchel verwandt. Heiß extrahiert kann er außerdem einen leicht adstringierenden Ton einbringen. Anis sollte sehr dezent und sparsam verwendet werden. Da sein Aroma schnell dominiert, kann es eine Basis mit kräftigem eigenen Charakter gut vertragen.
Bilsenkraut
Das Kraut, dem einigen Legenden zufolge die Stadt Pilsen ihren Namen verdanken soll, wurde bis ins Mittelalter als Bierzutat verwendet. Es handelte sich dabei in der Regel um das schwarze Bilsenkraut, bei dem insbesondere, aber nicht nur die Samenkörner halluzinogene, teils stark giftige Alkaloide enthalten. Diese rufen je nach (stark schwankender) Wirkstoffkonzentration der Pflanze und Konstitution des Aufnehmenden teils Schläfrigkeit, teils leichte Erregung oder aber tagelang anhaltende Rauschzustände hervor, die schon bei minimaler Überdosierung zu Atemlähmung, Herzrhythmusstörungen und letztlich zum Tod führen können. Abgesehen von diesen Eigenschaften, denen vernünftigerweise und vor allem ohne medizinische Fachkenntnisse und Analysemöglichkeiten nur mit einem Verzicht zu begegnen ist, enthält die Pflanze noch Antioxidantien - die allerdings lassen sich auch mit wesentlich ungefährlicheren Zutaten einbringen.
Chili
Unter diesem Begriff ist die große Familie der Paprika- und Peperonifrüchte zusammengefaßt. Im Bezug auf Bier sind hier vor allem die kleinen, scharfen Sorten gemeint. Sie geben insbesondere vollmundigen und wenig gehopften Bieren eine pikante Schärfe und sind bei experimentierfreudigen Hobbybrauern sehr beliebt. Die Dosierung ist jedoch Übungssache; eine Überdosierung vor allem sehr scharfer Sorten kann ernsthafte gesundheitliche Probleme nach sich ziehen. Von guten Erfahrungen berichten Hobbybrauer, die pro Flasche eine kleine getrocknete Schote einer nicht zu scharfen Sorte zur Reifung zugegeben haben.
Gagel
Dieser Strauch, der seiner englischen Bezeichnung Sumpfmyrte gemäß am besten in moorigen Lagen und maritimem Klima gedeiht, ist eine Einer seiner vielen weiteren Namen ist im norddeutschen und dänischen Raum Porst oder auch Bierporst, denn überall, wo die heute bereits weitgehend ausgestorbene Pflanze einst zu Hause war, kannte und schätzte man schon vor Jahrtausenden ihre sehr guten Braueigenschaften. Im niederrheinischen und holländischen Raum war er auch unter dem Namen Grut bzw. Gruit bekannt, der auch allgemein für bierwürzende Kräuter bzw. mit Kräutern gewürztes Bier verwendet wurde und wird. Gagelblätter sind reich an vor allem zitrusartigen ätherischen Ölen. Auch sind Gerbstoffe enthalten, die für einen bitteren Geschmack sorgen und klärende Eigenschaften aufweisen. In Dänemark wird bis heute kommerziell Bier mit Gagel gebraut, auch verwendet man ihn dort zur Schnapsherstellung.
Hanf
Hanf ist eine in einigen Kulturkreisen sehr tradierte und vielseitige Nutzpflanze, die obendrein mit dem Hopfen verwandt ist und deren Blüten je nach Sorte durchaus Aromen liefern, die stark an Hopfen erinnern, wenngleich sie meist etwas grasiger schmecken. Als Gras werden auch jene Hanfprodukte bezeichnet, die zu den fast weltweit unerlaubten THC-haltigen Rauschmitteln zählen. Der Gedankengang so manches (Neu-)Brauers, nach dem sich diese berauschende Wirkung doch mit der des Alkohols kombinieren lassen sollte, ist auf den ersten Blick zwar naheliegend, aber falsch: Um die hier beabsichtigte Wirkung zu erzielen, müßte die Bierwürze Fett enthalten, in dem sich das THC lösen kann. Ein hierfür geeignetes Bier wäre freilich wenig appetitlich. Von diesen ungesetzlichen Gedanken abgesehen ist Hanf jedoch schon wegen seiner oben genannten Hopfenverwandtschaft ein lohnendes Biergewürz, das wie Aromahopfen verwendet werden kann, und paßt besonders zu leichteren, hellen "Sommerbieren". Auch einige gewerbliche Brauer bieten Hanfbier an, das für den deutschen Markt allerdings ausnahmslos im Ausland hergestellt wird. Hanfblüten gibt es, wie Hopfendolden, getrocknet und als Pellets. Allerdings sind sie insbesondere im Hobbybrauerhandel kaum erhältlich, und die weit verbreiteten Haustier-Einstreuprodukte sind vermutlich kein wirklich genießbarer Ersatz.
Ingwer
Die Wurzelsprossen der Ingwerpflanze sind eine, ursprünglich vor allem in Asien, heutzutage fast weltweit ausgesprochen vielseitige Zutat. Das leicht liebliche Aroma, zusammen mit einer je nach Ernte und Herstellung dezenten oder intensiven Schärfe, bieten viele interessante Variationsmöglichkeiten auch beim Bierbrauen. Nicht ohne Grund gibt es eine Vielzahl ingwerhaltiger Erfrischungsgetränke. Auch wenn weder das traditionelle und vor allem in den USA einst beliebte Ingwerbier, noch das alkoholfreie Ginger Ale Biere im engeren Sinn sind bzw. waren, lassen sie leicht ahnen, wie hervorragend sich Ingwer für abwechslungsreiche und ungewöhnliche Kreationen eignet und mit den verschiedensten Bierwürzen harmoniert. Der Phantasie sind hier kaum Grenzen gesetzt. Ingwerwurzel kann frisch gekauft und scheibchenweise ebenso wie geraspelt oder gemahlen verwendet werden, wobei letzteres für die Zugabe in die Flasche aus praktischen Gründen eher nicht zu empfehlen ist. Ach ja: Ingwer wird, im Gegensatz zum Hopfen, eine aphrodisierende Wirkung nachgesagt. Was den Anreiz für manchen vielleicht zusätzlich steigern mag.
Kardamom
Besonders im arabisch-asiatischen Raum ist er aus der Küche kaum wegzudenken. Während schwarzer Kardamom ausschließlich deftigen Speisen ein erdig-scharfes Aroma verleiht, ist die bei inzwischen auch bei uns bekannte und verbreitete grüne Variante ein Universalgewürz, das in Currys ebenso wie in Süßspeißen, Broten und süßem Gebäck, sogar in Wurst und in orientalischen Kaffemischungen verwendet wird. Auch Kardamom gilt weithin als Aphrodisiakum. Neben seiner moderaten Schärfe und einer leichten Bittere, die bei hoher Dosierung ins adstringierende übergeht, kann seine süßlich-würzige Note besonders dunkle und etwas süßere Starkbiere Biere angenehm verfeinern. Insbesondere Biere mit leichten kaffe- oder schokoladigen Röstaromen bieten sich für Versuche an. Aber auch hellere Biere, zum Beispiel belgische Trappistenbiere, gewinnen mit diesem Gewürz an Charakter. Und auch in leichten und spritzigen Bieren kann Kardamom verwendet werden, sei es belgisches Witbier oder Gose. Die in den Samenkörnern enthaltenen Aromen sind leicht flüchtig, weswegen die beste Wirkung mit ganzen Kapseln erzielt wird, die erst unmittelbar vor dem Gebrauch im Mörser leicht zerstoßen werden. Wegen der Feinkörnigkeit sollte die Zugabe zur Hauptgärung und nicht im Endgebinde erfolgen.
Knoblauch
Als moderner Stadtmensch denkt man bei der Kombination von Bier und Knoblauch zunächst an dichtgedrängte U-Bahnfahrten durch "Arbeiterbezirke". Abgesehen von dieser eher unangenehmen Assoziation ist Knoblauch allerdings ein durchaus interessantes Biergewürz. Dezent eingesetzt liefert er neben den weithin bekannten gesundheitlichen Aufwertungen des Getränks und einer milden Schärfe auch durchaus vielschichtige und unerwartete Aromen. Der resultierende Geschmack ist schwer zu beschreiben und stark vom aromatisierten Grundbier abhängig. Auch ist Knoblauchbier weder ein Getränk für den ganzen Abend noch für eine breite Masse. Richtig kombiniert, insbesondere mit geeigneten Speisen, eröffnet sich aber auch hier viel Potential. Eine gute Einstiegsdosierung ist eine halbe oder eine kleine ganze Zehe je Flasche.
Koriander
Koriander ist, wie Kardamom, ein beliebtes Würzmittel, das seine größten Traditionen vor allem in der orientalischen und asiatischen Küche hat. Während dort häufig auch die stark moschusartig duftenden Blätter für pikante Speisen und Salate verwendet werden, haben sich bei uns vor allem die kleinen kugelförmigen Samenkapseln als Gewürz ausgebreitet. Sie werden für deftige Speisen und Currys, aber auch für süße und pikante Backwaren und für Getränke und Spirituosen eingesetzt. Gemahlener Koriandersamen ist Bestandteil vieler Lebkuchen- und Plätzchengewürzmischungen. In der Naturheilkunde gelten Koriandersamen, ähnlich wie Kümmel und Fenchel, als appetitanregend, verdauungsfördernd und krampflösend. Die leicht flüchtigen, lieblich-pikanten Aromen lassen sich durch kurzes Anrösten und zerstoßen der Körner intensivieren und verleihen vor allem einigen traditionellen belgischen Bieren eine typische, dezent würzige Note. In Mitteldeutschland wird Koriander heute noch für die reginal erhältliche Gose verwendet. Koriandersamen enthalten auch Bitterstoffe, daher ist maßvoller Einsatz und/oder eine Anpassung der Bitterhopfung zu empfehlen.
Majoran
Majoran ist ein feines, liebliches und praktisch ausschließlich aromatisches Küchenkraut. Dementsprechend vielseitig ist sein Einsatzgebiet, das Suppen, Soßen, gebratenes Fleisch und Kartoffeln umfaßt. Sein mild-würziger, beinahe süßlicher Charakter erfordert jedoch einen angemessenen Ausgleich, sonst wird das resultierende Bier unspektakulär bis langweilig. Rauchmalz, Röstmalz, Karamellmalz, höhere Stammwürze und/oder eine spürbare Grundbittere sollten dem Sud das nötige Fundament geben, natürlich ohne das feine Kraut zu erschlagen. Majoran ist frisch im Feinkosthandel erhältlich, aber auch mit hochwertigen Trockenprodukten sind gute Resultate zu erreichen. Damit der dezente Geschmack nicht untergeht, sollten wenigstens 500 Gramm frisches bzw. 50 bis 100 Gramm getrocknetes Kraut je Hektoliter verwendet werden. Es können problemlos alle Zugabeverfahren eingesetzt werden, die auf für Aromahopfen üblich sind (kurz kochen, Whirlpool, Haupt- oder Nachgärung und Endgebinde; in letzterem vorzugsweise ganze, frische Stengel).
Nelken
Diese - nicht mit den symbolhaft sozialistischen Blumengewächsen zu verwechselnde - Gewürzknospe ist echt scharf, weshalb sie in sparsamer Dosierung in vielen Currygerichten zum Einsatz kommt. Aber, wie alle Gewürzpflanzen zumindest im frischen Zustand, der sich bei der Nelke an einem leicht fettenden Oberflächengefühl erkennen läßt, ist sie auch hocharomatisch. Wir kennen sie aus Ragouts und feinen Soßen ebenso wie aus Punsch und Glühwein. Auch in Lebkuchen und Plätzchen darf ein wenig Nelkenaroma nicht fehlen; in Asien sind zudem Nelkenzigaretten und -kaugummis sehr beliebt. Vor allem dunklen und süßeren Bieren können Gewürznelken, vorsichtig dosiert, angenehme zusätzliche Nuancen und eine der Süße kontrastierende Schärfe verleihen. Aber auch gehaltvolle helle Biere können mit Nelkenaroma gewinnen - im Falle vieler Hefeweizenbiere kennen wir diesen Effekt, je nach Hefe und Herstellungsverfahren, sogar ganz ohne Nelkenzugabe...
Pfeffer
In den letzten Jahren hat sich dieses Gewürz, genauer gesagt: sein Image, vor allem im deutschsprachigen Raum weg vom vorgemahlenen schwarzen, irgendwie scharfen Pulver wieder deutlich zurück zur kostbaren, delikaten Feinschmeckerware entwickelt, die ihn schon vor Jahrhunderten zu einer begehrten Handelsware und einem hochwertigen Tauschgut machten. Neben dem seit jeher omnipräsenten schwarzen und dem ebenfalls bekannteren weißen Pfeffer findet der anspruchsvolle Genießer heute viele nicht nur farblich variierende Varianten von grün über gelb bis rot. Sie alle liefern neben dezenter bis intensiver Schärfe je nach Typ feinschichtige Aromakomponenten, die nicht nur pikante Speisen verfeinern, sondern immer öfter auch als feuriger Kontrast in süßen Spezialitäten wie Kakao, Konfitüre oder Schokolade auftauchen. Auch die Komplexität vor allem etwas gehaltvollerer Biere läßt sich natürlich hervorragend um ein paar scharf-aromatische Eindrücke vielseitig ergänzen. Egal ob in hellen oder dunklen Bieren kontrastiert er besonders gut Karamell-, Schokoladen- und süße Noten. Harmonisch ergänzen kann er sich zudem mit Röstaromen aller Art. Vorsicht ist jedoch bei der Dosierung in schlanken, hopfen- oder röstbitteren Bieren geboten, die mit Pfeffer schnell unangenehm trocken werden können. Die verschiedenen Farben der Pfefferkörner sagen, entgegen vielen Legenden, nichts über deren Schärfe aus. Sie sind vielmehr Ergebnis unterschiedlicher Reifungs- und Verarbeitungsschritte, die sich vor allem auf die aromagebenden ätherischen Öle auswirken. Grüne und schwarze Körner, beides unreif geerntete Früchte, enthalten davon am meisten. Ausgereifte Früchte sind rot; weißer Pfeffer entsteht nach dem einweichen und Schälen derselben, wodurch er insgesamt milder und neutraler ist. Für die Süßwarenveredlung beliebt sind vorwiegend schwarzer und roter Pfeffer.
Rosmarin
Auch dieses Kraut ist ein echtes Multitalent. Nicht nur in der Küche - von Grillspeisen über Eintöpfe und Marinaden bis hin zu Süßspeisen und Gelees -, sondern auch in der Kosmetikindustrie, wo man seinen Duft seit Jahrhunderten schätzt, und in der Naturheilkunde, in der es vielerlei Beschwerden lindern soll. Auch im Brauwesen hat Rosmarin eine lange Tradition. Er verbindet viele sehr erwünschte Eigenschaften wie aseptische und klärende Wirkung, bitternde Inhaltsstoffe und nicht zuletzt ein sehr angenehmes Aroma, das vor allem helleren, etwas süßeren oder milden Bieren eine ganz besondere Note verleiht und sie zu einem feinen Begleiter vor allem für pikante Fleischgerichte macht. Rosmarin ist in vielen besseren Lebensmittelgeschäften frisch am Zweig erhältlich und sollte wegen seiner differenzierten, teils leicht flüchtigen Aromen auch möglichst immer so verwendet werden. Er kann an jeder Stelle des Brauvorgangs zugegeben werden. Da selbst seine bitternde Wirkung auch ohne kochen spürbar zum Tragen kommt, ist jedoch zum Schutz der empfindlicheren Aromen die Zugabe nach der Würzekühlung oder ins Endgebinde optimal. Schon bei sparsamer Dosierung ab etwa 200 Gramm frischer Kräuter je Hektoliter ist Rosmarinaroma deutlich vorhanden; ab etwa 300 Gramm kommt auch die Bitterwirkung unverkennbar zum Tragen.
Salbei
Sein lateinische Name ist sprechend und bedeutet "Heilkraut". Und so kennen wir Salbei denn auch vor allem aus Hustentees und -pastillen. Neuere Forschungen attestieren ihm zudem eine krebslindernde/-hemmende Wirkung. Freunde mediterraner Küche schätzen ihn außerdem vor allem als Fleischgewürz. Sein frischer, leicht adstrinigerender Geschmack sowie die enthaltenen Antioxidanzien und klärende Gerbstoffe machen ihn zu einer Interessanten Brauzutat als Ergänzung oder Ersatz für Hopfen insbesondere in schlanken und hellen Bieren. Einige Sorten enthalten halluzinogene Stoffe.
Salz
Von der Suppe, die ohne das Salz nicht schmecken könne, weiß jedes Kind. Obwohl das nur die halbe Wahrheit ist. Denn neben dem eigenen Geschmack fördert Salz vor allem die Wahrnehmung anderer Geschmacksstoffe und beeinflußt zudem das Mundgefühl der Suppe, des Wassers oder auch des Bieres. Brauwasser wird nicht zuletzt deswegen fast immer, zusätzlich oder anstelle einer Enthärtung, durch Zugabe verschiedener Salze gezielt behandelt. Dabei handelt es sich allerdings praktisch nie um das hier beschriebene Speisesalz und im gesetzlichen Sinne auch nicht um deklarationspflichtige Zutaten. Küchenübliches Kochsalz, vorzugsweise in Form unbehandelter Meersalzkristalle oder des hochpreisigen Fleur de Sel, kann jedoch sehr gut als Kontrast zu süßen Produkten verwendet werden, was derzeit vor allem in der Schokoladenindustrie als Trend erkannt bzw. zu einem solchen erklärt wird und zugegebenermaßen durchaus eindrucksvolle Geschmackshorizonte eröffnet. In der Brauerei wird Kochsalz relativ selten eingesetzt. Üblich ist es nur in Gewürzbieren, belgischem Weizenbier und Gose, wo es andere Gewürze ergänzt und unterstreicht.
Sumpfporst
Wegen seiner leicht giftigen ätherischen Öle und Alkaloide war der Sumpfporst - nicht zu verwechseln mit dem auch als Porst bezeichneten Gagelstrauch - über etliche Jahrhunderte zu einer Heilpflanze, deren Blätter gegen Insektenstiche ebenso wie bei Zahnschmerzen und anderen Leiden eingesetzt wurden. Seine dadurch auch konservierende Wirkung schätzten viele Generationen von Bierbrauern bis ins Mittelalter, aber nicht nur die: Seine aromatischen Inhaltsstoffe besitzen außerdem eine berauschende Wirkung, die man in Verbindung mit Alkohol ebenfalls im Bier zu schätzen lernte und deren bloßem Einatmen in größerer Menge bereits bewußtseinsverändernde Wirkungen nachgesagt werden.
Vanille
Vanillegeschmack ist vermutlich das meistverwendete künstliche Aroma in der Lebensmittelindustrie. Ungezählten Produkten werden entsprechende Zusätze beigemischt. Das liegt zum einen daran, daß der geschmacklich dominierende Inhaltsstoff der Vanilleschote mittlerweile fast ohne Aufwand billig in großen Mengen synthetisiert werden kann und zum anderen an der fast durchgehend positiven subjektiven sensorischen Empfindung, die Vanillin bei den meisten Konsumenten bewußt oder unbewußt auslöst. Fast alle Süßspeisen und Molkereiprodukte, Spirituosen und Gebäcke, aber auch Pflege- und Kosmetikprodukte verschiedenster Art lassen sich so einen besonders angenehmen, weichen und abgerundeten Eindruck verleihen. Welch ein Hohn ist diese Standardisierung angesichts der feinen Nuancen und Buketts, die die Schoten der unterschiedlichen Züchtungen des Orchideengewächses Vanilla bei fachkundiger Verarbeitung zu bieten haben und die, abgesehen von gelegentlich zu stolzen Preisen und mit zweifelhaftem Inhalt angebotenen "Premium-Puddingen", kaum ein Verbrauchergaumen heute je erlebt hat. Je nach Herkunft bilden hier blumige, süße, bisweilen aber auch leicht scharfe oder rauchige, manchmal auch holzige Noten eine stets vielseitiges Bukett. Derart vielsinnliche Kompositionen dürfen an anspruchsvollen Hobbybrauern natürlich nicht vorbeigehen. Zumal die Einsatzgebiete, wie schon bei künstlichem Vanillin, fast grenzenlos sind. Ob zu rauchigem Bockbier, hellem Lager oder leicht röstigem Alt: Hier gibt es viel zu erschmecken. Das volle Aroma erschließt sich natürlich nur dem, der gut gereifte, sorgfältig verarbeitete und aromasicher verpackte Qualitätsschoten verwendet, die es im gehobenen Feinkost- und im Gastronomiefachhandel gibt. Sowohl die Schote selbst, als auch das in ihr enthaltenen Mark aus öligen Samenkapseln enthalten verschiedene der zahlreichen Aromen. Die Vewendung in Bier ist vergleichbar mit der in Soßen und Mehlspeisen, wo die Schote zur besseren Ausnutzung mitgekocht, das Mark hingegen eher ohne Kochen heiß oder auch kalt zugegeben wird. Auch die Mazerierung in fertigem Bier ist möglich und gelingt gut durch Zugabe eines am besten länglich angeritzten Schotenstückes je Flasche. Die genaue Dosierung ist sehr abhängig vom gewünschten Effekt, der verwendeten Sorte und des zu aromatisierenden Grundbiers und läßt sich individuell wohl am besten nur durch Versuchsreihen ermitteln.
Waldmeister
Wie der Name schon sagt, wächst dieses Kraut ursprünglich im Wald. Waldmeistergeschmack ist den meisten von uns seit Kindesbeinen bekannt, sei es durch Götterspeise oder Limonaden, spätestens aber durch den beliebten grünen "Schuß", der eine Berliner Weiße grün und noch erfrischender macht oder durch die obligatorische Maibowle. Dennoch haben die wenigsten schon einmal wirklich echten Waldmeister geschmeckt. Der Unterschied ist in etwa vergleichbar mit dem zwischen künstlichem und echtem Vanillearoma. Da der maßgebliche Aromastoff, das Cumarin, in zu hoher Dosierung gesundheitsschädlich wirken kann und die Blutgerinnung hemmt sowie nicht zuletzt wegen - inzwischen als wahrscheinlich fälschlich - vermuteter krebsfördernder Wirkung wurde in Deutschland schon vor Jahrzehnten die Verwendung in für Kindern zugänglichen Lebensmitteln gänzlich untersagt und der Einsatz in Spirituosen stark reglementiert. Mittlerweile gilt als gesichert, daß der typische, aromatisierende Einsatz bei maßvollem Genuß des Endprodukts schlimmstenfalls zu Kopfschmerzen führt und der Wirkstoff in vernünftig kleinen Mengen den Kreislauf anregt. Die Verwendung einiger Blätter pro Bierflasche (für Maibowle gilt der Einsatz von zwei ganzen Waldmeisterpflanzen je Liter Wein als unbedenklich) darf also als unproblematisch gesehen werden und ist aus geschmacklichen Gründen zur Verfeinerung erfrischender, heller Sommerbiere einen Versuch wert. Im Küchenkräuterversand (siehe Zutaten-Bezugsquellen) kann Waldmeister bequem geordert, in schattigen Laubwäldern vor allem im Frühjahr aber auch selbst gesucht und gefunden werden.
Zimt
Zimt wird, zumindest im europäischen Raum, vor allem für süße Speisen und Getränke verwendet und wegen seines holzig-würzigen Geschmacks und des aromatischen Duftes besonders gern in der kalten Jahreszeit genutzt. Auch liefert Zimt je nach Sorte einige Schärfe und wirkt außerdem antibakteriell. Diese Eigenschaften machen ihn grundsätzlich biertauglich, allerdings wird gerade bei den preiswerten Sorten die verhältnismäßig intensive Schärfe (oder der eher moderate Gehalt aromatischer Öle) falsch eingeschätzt. Wird Zimt dann noch mitgekocht, anstatt ihn schonend erst nach der Kühlung zuzugeben, kann sich der gewünschte Effekt oft ins Gegenteil verkehren und außer Schärfe nicht viel im fertigen Bier zurückbleiben. Zimt eignet sich vor allem für süße Biere. Karamellmalz begünstigt das Gesamtbild; Röstaromen, vor allem brenzlige, stören es hingegen schnell. Zimt wird eine aphrodisierende und anregende Wirkung nachgesagt. Wegen des vor allem in den verbreiteten chinesischen Sorten (der seltenere und teurere Ceylon-Zimt gilt hier als unproblematisch) wie im Waldmeister enthaltenen, in hohen Dosen gesundheitsschädlichen Cumarins sollte er maßvoll dosiert und vor allem von Schwangeren gemieden werden.