Es war einmal, irgendwann in den 1980er Jahren. Da verspürte eine bis dahin eher durchschnittlich bedeutende hessische Brauerei das Bedürfnis nach höherem Bekanntheitsgrad und bundesweitem, steigenden Bierabsatz. Das, versprach die Werbeabteilung, könne man nur durch neues Image erreichen (das Gebräu als solches gab das vermutlich nicht her). Was tut man also, wenn man etwas für mehr Geld an noch mehr Leute verkaufen will? Genau: Neue Packung, neuer Name, neues Image.
Gesagt, getan. Da der Begriff "Lager" als Bezeichnung für Bier bis dahin bestenfalls Reisenden außerhalb Deutschlands begegnet war (hierzulande schrieb man bis dahin auf die Bierflaschen schließlich wenigstens etwas mehr über den Inhalt, als nur, daß er untergärig sei), sollte er künftig als gehalt- und klangvolle Markenbezeichnung für ein ansonsten eher wäßriges Bierchen stehen, das ansonsten keine nennenswerten Eigenschaften hatte. Und das war auch gut so, denn je mehr Eigenschaften ein Bier hat, umso mehr Leute können sich daran stören und umso weniger kaufen es dann.
Dieses gelbliche Sprudelwasser pries man fürderhin für viel, viel Etat mit glitzernden Werbefilmchen, in denen es um augenscheinlich erfolgreiche, weltgereiste Männer ging, die spätabends in irgendwelchen Flughafenbars von "diesem Lager" erzählten, das sie "neulich erst in Sydney" (oder weiß der Henker wo noch) getrunken hätten, als internationale Topmarke. Und suggerierte so nebenbei und zwischen den Zeilen, daß es diese (die Marke) nun endlich auch in Deutschland gäbe.
Und weiter? Wie es mit Märchen so ist: Ein paar Kunden hielten das Märchen für wahr, der Absatz stieg, die Brauerei kontrolliert als mittlerweile größter Konzern den deutschen Biermarkt maßgeblich und mischt, wie einst in den Filmchen vorgegaukelt, tatsächlich weltweit mit. Soll noch mal jemand sagen, Märchen könnten nicht wahr werden. Der Begriff Lager indes ist längst zur vermeintlichen Sortenbezeichnung avanciert - und steht heute tatsächlich synonym für wässrige, sprudelnde, von allen Eigenschaften befreite alkoholhaltige gelbliche Wässerchen, die man eiskalt trinkt um davon einen Schwips zu bekommen und die es vor allem möglichst weltweit einheitlich zu kaufen gibt.
Was aber wurde aus dem eingangs genannten Gebräu? Nun, es ist nicht gestorben, sondern lebt heute noch, wenn auch - vor allem vom Weltmarkt - eher unbemerkt. Aber immerhin wurde der - zugegeben: pompöse - Werbesong mit einigen Lorbeeren gekrönt und existiert sogar als Langversion mit zwei Strophen und 3'46" Spieldauer. Prost!