Ich bin ein großer Freund von Verbraucherschutzorganisationen. Jedenfalls, wenn man ihre originäre Aufgabe als Maßstab ansetzt. Viel zu oft wird in der Nahrungs- und Genußmittelindustrie getrickst und gepanscht, wo es nur geht. Wer, wenn nicht wir Hobbybrauer, die das verkorkste deutsche Scheinreinlichkeitsgebot an den eigenen Sudkessel treibt, wüßte das wohl besser. Bier, das nur aus Hopfen, Malz und Felsquellwasser besteht, besteht eben auch aus den bekannten "technisch unvermeidbaren" Spuren von wasauchimmer, käufliches Brot "ohne Konservierungsstoffe" enthält mit Sicherheit alles, was nicht explizit als solcher definiert ist - kurzum, im Krieg, in der Liebe und im Nahrungsmittelgewerbe ist so gut wie alles erlaubt, wenn es nicht explizit verboten ist.
Das gilt natürlich auch für Alkohol. Der ist, das wissen wir, Resultat von biochemischen Prozessen, die in der Natur vorkommen. Jeder Hefeteig, jeder Sauerteig, jeder naturbelassene Fruchtsaft enthält Spuren davon, denn Sporen von Hefepilzen sind nun mal so gut wie untrennbar mit Zucker- und Stärkefrüchten verbunden. Selbst in der Luft fliegen sie umher, was, wie wir ebenfalls wissen, die historisch-legendär überlieferte Entdeckung der Gärung im "stehengelassenen Brotteig" überhaupt erst möglich gemacht haben soll.
Weil selbst der Gesetzgeber - dem man oft genug versehentliche und manchmal auch vorsätzliche Schlamperei vorwerfen mag - genau das weiß, hat er für als "alkoholfrei" bezeichnete Getränke schon vor langer Zeit diesen natürlichen Alkoholgehalt, der nach Expertenmeinung bei 0,5 Volumenprozent liegt, als Grenzwert festgelegt. Bier, das als alkoholfrei verkauft wird, darf also ebensoviel Alkohol enthalten, wie etwa Fruchtsaft oder Sauerkraut (und oft genug auch Tante Ernas Pflaumenmus).
Diese eigentlich hinreichend bekannte Tatsache hindert allerdings die bisher der Polemik eher unverdächtige Verbraucherorganisation Foodwatch nicht daran, sich mit der halbgaren Kritik an "mangelnder Verbraucherinformation" über genau diesen "natürlichen" Alkoholgehalt medienwirksam in Erinnerung zu rufen. Es sei nicht hinnehmbar, daß viele Käufer alkoholfreien Bieres gar nicht wüßten, daß sie eben doch kleine Restmengen Ethanols zu sich nähmen. Da fehle eine ordentliche Deklaration und strengere Grenzwerte. Dies sei in anderen Ländern, wie etwa Großbritannien, schon lange üblich und selbst deutsche Brauereien exportierten dorthin alkoholfreies Bier mit deutlich weniger Restalhokolgehalt.
Nun kann man über die Sache an sich durchaus verschiedene Meinungen haben. Ich würde nicht einmal das Anliegen, eine wirklich unzweifelhafte Deklaration durchzusetzen, kritisieren. Wie könnte ich das als bekannter Kritiker des schwammigen "Reinheitsgebotes" mit seinen endlosen Hintertüren auch ernsthaft tun. Aber wenn, dann bitte richtig. Dann möge künftig bitte auf jedem Kirschsaft, jedem Plunderstück und jeder reifen Banane ebenfalls ein Warnhinweis prangen, der den mündigen Verbraucher hier hinreichend informiert. Oder, noch besser, wir verpflichten jeden Einzelhändler, direkt neben dem Eingang gut sichtbar einen deutlichen Hinweis auf die unkalkulierbare Natur anzubringen, denn auf so viel Aufklärung hat jeder Verbraucher zweifelsfrei ein Grundrecht.
Jede öffentliche Forderung im Namen des Konsumenten allerdings, bei der diese unmißverständliche Konsequenz fehlt, kann ich mir nur mit einem Beweggrund wirklich plausibel erklären: Das Sommerloch steht bevor und die Spendengelder werden knapp.
Prost Mahlzeit!