Seine Brauerkarriere hat er, wie so viele, mit einem kleinen Sud in Mutters Küche begonnen. Das war im Alter von 15 und machte so viel Spaß, daß Jan-Hendrik bereits im folgenden Jahr eine Ausbildung zum Brauer und Mälzer bei einer großen Hamburger Brauerei anfing. Diese Berufswahl hat er bis heute, 16 Jahre nach dem ersten Sud, nicht bereut: Egal wie modern, sauber und fachmännisch die Großbrauereien arbeiten für mich geht trotzdem nichts über Selbstgebrautes. Entweder mein eigenes, das von Freunden oder Mitgliedern der Nordhorner Vereinsbrauerei.
Sein erstes richtiges Sudwerk vom kargen Lehrlingsgehalt bezahlt, selbst entwickelt und mit einer Ausschlagmenge von immerhin 90 Litern bezeichnet Jan im Rückblick als recht unprofessionell. Dennoch hat es ihn 12 Jahre begleitet, wenngleich aufgrund der mühsamen Handhabung nur 30 Sude damit gebraut wurden. Verkoster fanden sich indes ganz ohne Mühe im Familien-, Freundes- und Bekanntenkreis: Meine Eltern hatten immerhin schon einen Zapfkühlschrank für 50-Liter-Fässer in ihrem Wintergarten.
Das Jahr 2007 war ein entscheidendes Jahr für den jungen Brauer. Konnte der sich bis dahin nie vorstellen, einmal ein Eigenheim zu besitzen und damit Mobilität und Unabhängigkeit aufzugeben, so wurde er quasi über Nacht, wie er selbst sagt, ein Stück erwachsener, ja gar ein wenig spießig. Ein Haus samt Garage war schnell gefunden, und die Unterschrift auf dem Kaufvertrag noch nicht getrocknet schon begann die Planung einer neuen, einer richtigen Brauerei. Die freilich muß sich nicht verstecken: Es handelt sich um ein Fünfgerätesudwerk mit einer maximalen Ausschlagmenge von 220 Litern.
Das Malz, das im Keller je nach Marktlage bis zu 500kg auf Vorrat trocken und dunkel lagert, wird in einer eigentlich für Hafer gedachten verstellbaren Mühle zu Schrot. Wenn Jan, wie meist, nach dem Konzentratverfahren ("high gravity") braut, gehen für einen Brautag knapp 40 Kilo durch das Mahlwerk, die mit 120 Litern Hauptguß eingemaischt werden. Die wichtigste Zutat wird verwendungsfertig frei Haus geliefert: In Nordhorn haben wir sehr weiches Wasser, welches ich nicht weiter behandele. Die Maischpfanne wird durch einen 42kW-Brenner mit Gasfeuerungsautomatik beheizt. Das ist sicherer und läßt sich besonders einfach automatisieren.
Und das hat er natürlich ebenfalls getan. Sein Brauknecht ist eine selbst in Visual Basic programmierte Software, die er BrauWare nennt und die sich laut Jan an dem in Großbrauereien eingesetzten System ProLEIT orientiert. Die Maischprogramme selbst hält er bewußt einfach: Das Einmaischwasser hat 65 Grad, die erste Rasttemperatur von 62 Grad wird durch das kältere Malz erreicht. Nach spätestens 45 Minuten wird auf 72 Grad erhitzt und dann, nach Erreichen der Jodnormalität, auf 76 bis 78 Grad abgemaischt. Natürlich gibt es Ausnahmen für Spezialbiere aus Nichtgerstenmalzen. Und auch der Handarbeit hat der Nordbrauer keineswegs ganz abgeschworen: Eingemaischt wird per Hand, will heißen: Ohne Rührwerk. Und manchmal maische ich auch einfach nur mit Uhr und Thermometer.
Nach dem Abmaischen wird im vorgewärmten Läuterbottich soviel Wasser vorgelegt, dass der Senkboden knapp bedeckt ist. Ich habe mir sagen lassen, daß das Läutern dann besser funktioniert, da keine Luft mehr im Gefäß ist. Auf den Senkboden ist Jan übrigens besonders stolz. Es ist nämlich ein konisch gefräster Original-Brauerei-Senkboden aus Edelstahl. Auf eine Läuterruhe verzichte ich seit einigen Suden. Es läuft auch ohne prima. Den ersten Vorlauf von zehn bis 15 Litern Trubwürze gebe ich wieder auf die Maische im Läuterbottich. Das Vorlaufgefäß ist ein aufgeschnittenes, isoliertes 50-Liter-Faß mit Milchgewindeanschluß und einem Scheibenventil. Daran ist eine drehzahlgeregelte Pumpe angeschlossen. Der Clou ist, daß das Gefäß vom PC mit einem Drucksensor (0-0,1 bar) überwacht wird. So kann ich den Füllstand auf 0,3 Liter genau bestimmen. Mit diesen Daten wird das zweite, ebenfalls selbst entwickelte Brauprogramm LauterWare gefüttert. Auf Basis von Vorgabewerten steuert diese gezielt das Umpumpen der Vorderwürze in den Sudkessel, wenngleich der Braumeister an dieser Entwicklung noch Nachbesserungsbedarf sieht.
Ebenfalls außergewöhnlich ist die Würzepfanne: Die war eigentlich einmal eine Destille mit einem Volumen von 300 Litern. Aus Sorge vor Problemen mit dem Zollamt wurde die jedoch aufgeschnitten. Es ist auch besser zu reinigen, wenn die Pfanne offen ist. Vom Ausdampfen unerwünschter Stoffe ganz zu schweigen. Gekocht wird bei Jan meistens 80 Minuten, gehopft wird zwei mal: Bitterhopfen gibt’s bei Kochbeginn, Aromahopfen bei Kochende direkt in den Whirlpool. Für die eigenen Sude verwendet Jan ausschließlich Pellets; Dolden kauft er nur in Ausnahmefällen: Wenn ich rechtzeitig dran denke, bestelle ich die für meine Volkshochschulkurse, das finde ich irgendwie ursprünglicher.
Der Whirlpool ist, wie auch Maischpfanne und Läuterbottich, ein alter Hofbehälter. Von Hand wird die Würze hier nach dem Umpumpen mit einem Braupaddel in Rotation versetzt. Nach 40 Minuten, wenn sich die unlöslichen Eiweiß- und Hopfenbestandteile am Boden abgesetzt haben, wird mit der Pumpe vorsichtig von oben abgezogen. Gekühlt wird in einem Plattenwärmetauscher mit Brunnenwasser. Je nach ausgeschlagener Menge kühle ich 40 bis 60 Minuten, um auf meine untergärige Anstelltemperatur von 14 Grad zu kommen.
Als nach wie vor auch hauptberuflicher Brauer ist Jan in der glücklichen Lage, stets an frische Hefe in ausreichender Menge zu kommen. Nur, wenn er etwas anderes als Lager- oder Weizenbier brauen will, kommen Flüssigreinzuchthefen zum Einsatz. Ich nehme diese kleinen Beutel, die man in der Hand aufplatzen lässt und ziehe sie mit Erlenmeyerkolben, Magnetrührer und Würze drei bis fünf Tage hoch, bis ich ca. zweieinhalb Liter junge Hefe habe.
Bevor das gerade angestellte Jungbier schließlich gären kann, wird der Gärbottich mit einem Gasbrenner sterilisiert. Im Kühlhaus benötigen die meist untergärigen Biere sieben bis zehn Tage bei etwa 10 Grad. Nach der Hauptgärung wird wahlweise in Flaschen, Fässern oder im 300-Liter-Drucktank nachvergoren. Erst jetzt wird das etwas konzentrierte Jungbier auf die gewünschte Stärke verdünnt, meist mit etwa 20% nicht abgekochtem Wasser. Ich finde, Trinkwasser hat steril zu sein. Nun hat das Bier noch einmal vier bis sechs Wochen Ruhe. Theoretisch. Praktisch wird fast täglich probiert, denn: Es ist wunderbar, zu schmecken, wie sich die Jungbukettstoffe, die höheren Alkohole und das Diacetyl langsam abbauen und das Bier von Tag zu Tag trinkbarer wird.
Von solch professionellen Braumöglichkeiten, wie sie sich Jan-Hendrik geschaffen hat, träumt sicher mancher Hobbybrauer. Immerhin: Als Mitglied des von ihm mitgegründeten Brauvereins kommt man in die vorteilhafte Lage, die Anlage mitnutzen zu können und auch ansonsten einem ausgeprägten Vereinsleben zu fröhnen. Oder man nimmt an einem von Jans Volkshochschulkursen rund ums Bierbrauen teil.
Und natürlich gehen die Planungen und Verbesserungen an seiner Brauerei auf vollen Touren weiter: Die wird niemals fertig sein. Und das ist auch gut so, denn sollte sie einmal keine Wünsche mehr offen lassen, werde ich mir wohl ein neues Hobby suchen müssen.
Dieses Sudwerk hat mich ca. 12 Jahre lang begleitet. Allerdings war das Brauen so mühsam.
Die geräumige Garage bietet reichlich Platz zum Brauen und Jans Freunde sind überzeugt: Dies war der eigentliche Grund für den Hauskauf.
Macht locker 60 Kilo Malz pro Stunde zu spitzenmäßigem Schrot: Die verstellbare Mühle
Beheizt wird mit einem 42kW-Ringbrenner mit Gasfeuerungsautomatik (beinhaltet Steuergerät, Trafo, Zündfunke und Ionisationsflammenüberwachung). Das ist sicherer als die manuelle Zündung mit dem Feuerzeug, gerade wenn man auch noch VHS-Braukurse gibt. Außerdem läßt sich der Brenner dann einfach und sehr sicher automatisieren.
Selbst entwickelt: Die Steuerautomatik BrauWare. Als Schnittstelle zur Anlage dienen eine Relaiskarte, eine Umwandlerelektronik (MyPCLab) und ein PT100-Sensor.
Ein wahres Kleinod: Der konisch gefräste original Brauerei-Senkboden aus Edelstahl. Sollte der einmal kaputtgehen, dann breche ich Tränen aus!
Auch beim Läutern hat Kollege Computer alles im Griff. Mit der LauterWare wird das Befüllen der Sudpfanne geregelt.
Statt Schnaps: In der ehemaligen Destille wird nun Bierwürze gekocht. Braumeisters Stolz!
Im Plattenwärmetauscher bringt Brunnenwasser die heiße Würze auf Anstelltemperatur.
Vor dem Befüllen wird der Gärbehälter gründlich sterilisiert,...
...um dann mittels Pumpe direkt im Kühlhaus mit Anstellwürze befüllt zu werden.
Die Hauptgärung ist in vollem Gange.
Das Brauhaus von außen: Reichlich Platz zum geselligen Verkosten...
...und von innen: Reichlich Platz um etwas Verkostenswertes herzustellen.
Und an dieser Verkostungswürdigkeit gibt es keinen Zweifel. Auch nicht bei VHS-Kursteilnehmern.