Typische Daten
Farbe | 2 4 EBC (milchig weiß bis hellgelb) |
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Stammwürze | 6 8 % |
Alkoholgehalt | 2,5 3,5 %Vol |
Bittere | 6 12 IBU (kaum wahrnehmbar) |
Rezenz | 5,5 7 g/l (feinperlend bis sehr spritzig) |
Malzsorte |
Weizenmalz,
Pilsner Malz |
Hopfen | Aromahopfen (wegen der kurzen Kochdauer) |
Gärung |
obergärig (16 22 °C),
milchsauer (22 30 °C) |
Trinktemperatur | 9 12 °C |
Rezeptbeispiel |
Wer glaubt, daß poppig bunte Biermischgetränke mit Frucht- oder Schnapszugabe eine zeichensetzende Erfindung trendiger Werbeagenten der 1990er Jahre sind, der irrt. Schon vor weit mehr als hundert Jahren war es schwer modern, sich vor allem in der heißen Jahreszeit mit einem erfrischenden wie bunten und vor allem: säuerlich-prickelnden Glas Spreechampagner abzukühlen. Nicht nur, aber natürlich besonders in Berlin, dem die gleichnamige Weiße ihren heute allgemein bekannten Namen verdankt, während sie zu besonders französisch geprägten Zeiten in der Hauptstadt tatsächlich als Champagner des Nordens tituliert wurde.
Historisches
Über die Entwicklung dieser ganz besonderen Bierspezialität wird Unterschiedliches berichtet. Während manche Quellen in ihr eine konsequente Weiterentwicklung eines Betriebsunfalls sehen, bei dem ein Teil gestreckter Bierwürze zunächst sauer und dann für erfrischend befunden wurde, schreiben andere die eigentliche Erfindung dem norddeutschen Raum zu, von wo das Rezept nach Berlin eingeführt und dort perfektioniert wurde.
Unstrittig ist wohl, daß die Berliner Weiße ihre Blütezeit vor der Verbreitung des später auch in Berlin allgegenwärtigen Pilsners im 19. Jahrhundert hatte. Damals gab es in der Stadt viele auf das saure Weizenbier spezialisierte Brauereien und einen entsprechend großen Kundenkreis.
Besondere Kennzeichen
Die Berliner Weiße verdankt ihren fein-säuerlichen Charakter, der je nach Brauverfahren dezent bis intensiv ausfallen kann und bei den wenigen heute noch erhältlichen Sorten eher gering ausgeprägt ist, zum einen der Gärung mit speziellen obergärigen Hefestämmen (Bretannomyces), zum anderen einer noch während der Hefegärung durch Zugabe von Milchsäurebakterien und höhere Temperaturen in Gang gesetzten Fermentation. Die hier eingesetzten Bakterien sind nur begrenzt alkoholtolerant; ihnen kommt also die durch den geringen Stammwürzegehalt bedingte mäßige Stärke dieses Biers zugute. Vor einem weiteren Verderb wird das fertige Getränk nicht vorrangig durch den Alkoholgehalt, sondern durch seinen niedrigen pH-Wert geschützt. Berliner Weiße ist überdurchschnittlich lagerstabil.
Ihre milchige Erscheinung erhält sie weniger durch die mangels Filtrierung im Bier verbleibende Hefe als durch den hohen Anteil an Weizenmalz sowie ein relativ kurzes Maischverfahren und eine ebenso kurze Würzekochung; diese Faktoren führen zu einem erhöhten Eiweißanteil und damit zu einer Trübung.
Da Alphasäuren adstringieren und sich daher ungünstig auf die Lebensbedingungen der Säurebakterien auswirken, kommt nur gerade so viel Hopfen zum Einsatz, daß unerwünschte Eiweißstoffe ausgefällt werden, aber keine nennenswerte Bittere entsteht.
Stilecht genießen
Bildquelle: DBB
Berliner Weiße mit Schuß ist keineswegs Touristen und Kindern vorbehalten. Die Zumischung verschiedener Fruchtsirupe, wie vor allem roter Himbeere oder grünen Waldmeisters, sind auch aus historischer Sicht absolut gestattet; schon früh experimentierten Gastwirte mit Frucht- und Kräuterzugaben und stießen damit bei der Kundschaft auf Zuspruch. Ihre Fruchtnoten und die Süße ergänzen saures Berliner Weizenbier hervorragend zu einem erfrischenden Sommertrunk. Fertig beigemischt wird er erst in jüngster Zeit in den Flaschen mitverkauft, standesgemäß wird zunächst der Schuß, abgemessen in einem Schnapsglas, eingeschenkt und dann das Bier daraufgegossen.
Touristen weniger, echten Berlinern umso besser bekannt, ist indes die Berliner Weiße mit Strippe, bei der anstelle eines Sirups ein typischer Berliner Kümmelschnaps zum Einsatz kommt. Ob dieser, gleich dem Schuß, beigemischt oder separat serviert wird, ist ein allgemein beliebtes Diskussionsthema unter Traditionalisten. Beigemischt hat der Kümmel auf jeden Fall einen ganz besonderen Reiz (und pur trinken könnte man ihn ja auch ohne Weiße).
Weder stilecht noch verbreitet, aber dennoch nicht ohne Reiz sind experimentelle Mischungen im Stile etwa eines Kir Royal, bei denen also beispielsweise Cassis zugegeben wird. Nicht zuletzt ist Berliner Weiße aber auch ganz pur ein höchst erfrischender Genuß, der neben seiner leicht brotigen Weizennote vor allem durch Milch- und reichlich vorhandene Kohlensäure den Gaumen kitzelt.
Gläser
Das klassische Trinkgefäß für Berliner Weiße ist ein schwerer, gläserner Pokal, in den ein usprünglich meist mehr als ein Liter und seit langem traditionell ein halber paßt. In die Halbliterpokale wird jedoch lediglich der Inhalt der typischen Drittelliterflasche so eingegossen, daß sich eine schöne, Dank hohem Eiweißgehalt recht stabile Schaumkrone bildet, die den Pokal bis oben füllt. Der Pokal darf, da bisweilen schwer, ruhigen Gewissens beidhändig zum Mund geführt werden. Da die klobigen Pokale spülfaulen Wirten das Leben und vor allem im Sommer den Bedienungen das Tablett schwer machen, hat sich mit der Zeit auch ein bauchig-rundes Glas ohne Standfuß etabliert.
Ein absoluter Stilbruch, der schlechte von guten Wirten, Touristen von Einheimischen und Laien von Sachkundigen trennt, ist der Einsatz eines Trinkhalms. Er ist in gleicher Art zu meiden, wie es der Teufel der Legende nach mit dem Weihwasser tun soll. Es sei denn, Du willst Dich zum Gespött des Berliner Trottoirs machen.